: Institut für Unvernunft
PROJEKT Das Unreasonable Institute beschleunigt Menschen mit neuen Ideen. Bald ist Jahrestreffen in Colorado
TEJU RAVILOCHAN, EINER DER GRÜNDER DES UNREASONABLE INSTITUTE
VON ESHA CHHABRA
Schon 1903 war der britische Schriftsteller Bernhard Shaw davon überzeugt, dass Fortschritt vom unvernünftigen Menschen abhänge. „Der vernünftige Mensch passt sich der Welt an“, schrieb er. „Der unvernünftige besteht auf dem Versuch, die Welt sich anzupassen. Deshalb hängt aller Fortschritt vom unvernünftigen Menschen ab.“
Mehr als ein Jahrhundert später zeigt sich, dass seine Voraussage jedenfalls dann zutrifft, wenn mithilfe innovativer Ideen Armut abgeschafft wird. Shaws Worte sind das Motto des Unreasonable Institute in Colorado mit seinem Programm für UnternehmerInnen, die die Welt verändern wollen. In einem sechswöchigen Sommerworkshop kommen mehr als ein Dutzend UnternehmerInnen zusammen, deren Geschäftsideen zu sozialen Veränderungen führen können.
In nur vier Jahren wurden unter 1.100 Bewerbern aus 70 Ländern 82 Unternehmer für die Teilnahme an den Workshops ausgewählt. Unreasonable kann auf ein Netzwerk von 100 Mentoren aus den Bereichen Kunst, Wirtschaft und Technik zurückgreifen, die den Teilnehmern beratend zur Seite stehen.
Und in diesen vier Jahren hat das Institut tatsächlich einige Erfolgsgeschichten geschrieben. Myshkin Ingawale aus Mumbai, Indien, ein Teilnehmer des Jahres 2011, hat ein handygroßes Gerät entwickelt, mit dem der Hämoglobinwert im Blut gemessen werden kann. So kann medizinisches Personal auf dem Land Bluttests ohne Nadeln und ohne Labor durchführen. Ingawales Firma BioSense wird heute von der Weltgesundheitsorganisation als eine der innovativsten Firmen im Bereich der Gesundheitstechnik bezeichnet.
Unreasonable bringt aufstrebende Unternehmer mit Mentoren zusammen, verbindet sie mit möglichen Kapitalquellen und hilft ihnen bei der Präzisierung ihrer Geschäftsmodelle. Das Institut arbeitet nicht profitorientiert. 30 Prozent der laufenden Kosten werden durch Teilnahmegebühren, die bei 10.000 US-Dollar pro Unternehmen beginnen, und durch den Unreasonable Marketplace, eine Spendenplattform, finanziert. Die übrigen Kosten des Instituts werden von Sponsoren aufgebracht, zu denen Halloran Philanthropies, Hewlett Packard, Vodafone Americas Foundation und Rockdale Foundation gehören.
Das Unreasonable Institute wurde 2009 von Daniel Epstein, Tyler Hartung und Teju Ravilochan gegründet. Jetzt will sich das Institut in der ganzen Welt ausbreiten, seinen Stammsitz in Boulder verlassen und einen eher lokalen Ansatz versuchen, zunächst in Kenia und in Mexiko. Man hat sich zum Ziel gesetzt, 100 Institute in 100 Städten zu gründen, „ein kühnes Ziel“ wie Ravilochan zugibt. Wenn aufstrebende soziale Unternehmer nach Colorado kommen, sind sie weit weg von ihrem lokalen Kontext und ihren lokalen Märkten. „Wir wollen sehen, ob wir ein ähnliches Projekt an anderen Orten aufziehen können, mit lokalen Investoren und Mentoren, die die Besonderheiten der lokalen Märkte kennen“, sagt Ravilochan. Im Moment seien die lokalen Projekte nur Pilotprojekte. „Wir wollen erst mal sehen, ob es in Kenia und Mexiko genug gute Mentoren und Investoren gibt“, sagt er.
Letztlich wollen die Gründer des Unreasonable Institute eine „globale Pipeline“ schaffen, also ein Modell entwickeln und es zum Beispiel in Kenia reifen lassen; diese Geschäftsidee wollen sie dann in ein regionales Institut in, sagen wir, Ostafrika bringen, wo sie dann präzisiert werden soll, bevor sie irgendwann mal nach Boulder gelangt. „Das ist eine Mischung aus fundierter lokaler Expertise und globalen Ressourcen“, sagt Ravilochan. Unreasonable Institute ist eine von mehreren US-amerikanischen Organisationen, die sozial engagierte Unternehmer unterstützen und beraten. Andere sind StartingBloc, Ashoka, Draper Richards und Echoing Green. Jede Organisation hat einen anderen Ansatz. Echoing Green sorgt für Finanzierungen, während Unreasonable sich auf Beratung konzentriert. Zur Beratung gehört aber auch Fundraising. Ashley Murray, Geschäftsführerin und Gründerin von Waste Enterprisers, Teilnehmerin des Jahres 2012, hatte zum Beispiel anfangs gedacht, sie bräuchte für ihre Firma in Ghana zwei Millionen Dollar. Die Beratung im Sommerworkshop in Boulder führte dazu, dass sie eine neue Strategie entwickelte. Es stellte sich nämlich heraus, dass ihr Recyclingprojekt viel günstiger realisiert werden konnte. Auch bei der Vermittlung von Investoren half das bestehende Unreasonable-Netzwerk.
Unreasonable Institute ist nur eine Komponente der Unreasonable-Marke. Gegenwärtig findet Unreasonable-at-Sea statt, eine Seereise rund um die Welt für eine Gruppe vorausdenkender UnternehmerInnen. Weitere Projekte sind im Entstehen. „Es ist ein Versuch“, sagt Ravilochan. „Wir wollen viel erreichen.“
Aus dem Englischen von Heike Brandt
■ Am 10. Juli ist das Jahrestreffen des Instituts in Boulder. Dort treffen zwölf Vorhaben aus der ganzen Welt auf etwa tausend Zuhörer. Viele unter ihnen sind selbst Unternehmer oder Entwickler