: Der Unangepasste
Er bringt alles mit, um der nächste Held des deutschen Tennis zu sein. Dustin Brown beherrscht unglaubliche Schläge, wird in den sozialen Netzwerken gefeiert und sorgt mit seiner bunten Vita auch noch für Glamour.
„Ich muss so spielen, wie ich will“, sagt der 28-Jährige, der im niedersächsischen Winsen/Aller groß geworden ist und in Wimbledon gerade für Furore gesorgt hat. Die Qualifikation überstanden, zwei Runden im Hauptfeld gewonnen – nach seinem Sieg über den früheren Rasen-Champion Lleyton Hewitt hatte Brown vor Glück geweint. Eine Runde später gegen den Franzosen Adrian Mannarino war der Zauber schon wieder verflogen: Am Freitag verlor Brown mit 6:4, 6:2 und 7:5 und ist damit ausgeschieden.
Seine Art, sich auf dem Platz zu duellieren, ist äußerst unorthodox. Brown spielt gerne schnell und stürmt mit wehender Dreadlock-Frisur ständig ans Netz. An guten Tagen trumpft er wie ein Weltklassespieler auf.
Seit der Sohn eines Jamaikaners und einer Deutschen Profi ist, gab es die guten Tage selten. Trotzdem sind rund 800.000 Dollar Preisgeld seit 2002 zusammengekommen, eine Platzierung unter den 100 besten Spielern der Welt inklusive.
Doch der Mangel an Konstanz bleibt sein ständiger Begleiter. So mancher Trainer und Funktionär mag das schade finden, weil das bezahlte Tennis in Deutschland ein neues Zugpferd benötigt. Aber Brown ist so sprunghaft, dass er sich wohl täglich selbst überrascht.
Die Experten rätseln. Ist dieser leicht verrückte Kerl so gut, weil er alles anders macht? Oder könnte er viel besser sein, wenn er Ratschläge annähme und sich mehr am Lehrbuch-Tennis orientieren würde?
Brown hat schon für Jamaika im Daviscup gespielt. Weil seine Großmutter Engländerin ist, hätte man seine Karriere auf der Insel mangels eigener Talente gerne gefördert. Wie es sich für einen Paradiesvogel gehört, hat Brown lieber von der niedersächsischen Provinz aus ohne klassisches Trainerteam versucht, seinen Weg zu finden.
Wann immer Brown ganz große Auftritte gelingen, wird seine verrückte Geschichte bemüht. Dass er früher von Winsen aus mit einem Wohnmobil quer durch Europa gereist ist, um Kosten für Hotelübernachtungen zu sparen. Dass er meist nach wenigen Stunden Schlaf auf dem Platz erscheint, weil es sein Biorhythmus so will. Und dass er jedes Match zum Lotteriespiel macht.
Brown hat keine Lust, darauf zu achten, wie der Gegner agiert. Er bleibt seiner stürmischen Linie treu, lässt keinerlei Rhythmus erkennen und erweckt den Eindruck, als habe er null Strategie. Die Fans lieben ihn dafür. CHRISTIAN OTTO