: Kritik an der Berliner Abfuhr für den Whistleblower
REAKTIONEN Die Grünen nennen die Ablehnung des Aufnahmegesuchs von Edward Snowden „scheinheilig“. Die Bundesregierung bekräftigt ihre Absage: Eine humanitäre Notlage liege nicht vor
BERLIN taz | Die Grünen haben die Ablehnung des Aufnahmegesuchs von Edward Snowden durch die Bundesregierung scharf kritisiert. „Die Absage von Angela Merkel an eine Aufnahme von Edward Snowden zeigt die ganze Scheinheiligkeit dieser Regierung“, sagte Spitzenkandidat Jürgen Trittin. „Sie gibt sich empört, unternimmt aber nichts.“ Die SPD äußerte sich am Mittwoch zurückhaltender, die Bundesregierung verteidigte ihre Entscheidung.
Das Auswärtige Amt und das Innenministerium hatten am Dienstagabend erklärt, die Voraussetzungen für eine Aufnahme lägen nicht vor. Der Whistleblower, der Aushorchaktionen des US-Geheimdienstes NSA in Europa und Deutschland öffentlich gemacht hatte, hatte zuvor in einem Fax an die Deutsche Botschaft in Moskau um Asyl gebeten.
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann nannte die Enthüllungen des IT-Spezialisten „einen Akt des zivilen Ungehorsams“. Die Regierung solle sich für eine europäisch abgestimmte humanitäre Lösung einsetzen. Der SPD-Mann vermied aber eine direkte Kritik an der Entscheidung der Regierung. Anders als die Grünen hatte die SPD eine Aufnahme Snowdens im Vorfeld skeptischer beurteilt. Sie wäre über Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes aus humanitären oder politischen Gründen möglich gewesen.
Die Regierung bekräftigte ihre Entscheidung. Sie sei der Auffassung, dass eine humanitäre Notlage im Falle von Snowden nicht vorliege, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Snowden habe ein dauerhaftes Bleiberecht in Russland. Zudem seien die USA ein Rechtsstaat. Niemand in der Regierung zweifle daran, dass Snowden in den Vereinigten Staaten ein faires Verfahren bekäme, sagte der Sprecher.
Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages traf sich am Mittwoch zu einer Sondersitzung. Die Abgeordneten befragten unter anderen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), der für die Koordinierung der Geheimdienste zuständig ist. Sowohl Regierung als auch Nachrichtendienste wollten laut der SPD von den Spähangriffen nicht gewusst haben. Das hätten deren Vertreter deutlich gemacht, sagte Oppermann nach der Sitzung. ULRICH SCHULTE