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Archiv-Artikel

Schlechtes Zeugnis von der GAL

Abschiebung statt Einwanderung, Bildungsausschluss und Demokratieabbau: CDU-Senat betreibt eine Politik mit Schlagseite, findet die grüne Fraktionschefin Goetsch. Zu viel Geld werde in den Hafen gesteckt und dafür wichtige Zukunftsfelder vernachlässigt, kritisiert ihr Vize Maier

Von Beust sei es gelungen, Fehler als Hinterbänkler-Problem erscheinen zu lassen

Aufbruchstimmung erzeugt, aber die Zukunft der Stadt aufs Spiel gesetzt, weil wichtige Politikfelder vernachlässigt werden – so bewertet die GAL die Halbzeit-Bilanz der CDU-Regierung unter Ole von Beust. Das Leitbild einer „Wachsenden Stadt“ und ein boomender Hafen reichten nicht aus, „um ein Gemeinwesen zusammenzuhalten“, kritisierte gestern GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch.

Fraktionsvize Willfried Maier machte die Kritik an einem Vergleich mit anderen Großstädten fest: Nur 11,5 Prozent der Beschäftigten in Hamburg seien hoch qualifiziert, in München seien es 19,5 Prozent; 0,9 Prozent der Hamburger beschäftigten sich mit Forschung und Entwicklung, aber 6,3 Prozent der Münchner. Hamburg sei dagegen spitze beim Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss: Hier seien es 11,5 Prozent, in Frankfurt am Main 9,6 Prozent und in München nur 6,3 Prozent.

Der Erfolg des Hafens täusche allzu leicht über solche Defizite hinweg, sagte Maier. Er zitierte eine Rede des ehemaligen Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi (SPD) vor dem Überseeclub: Die Stadt beginne unmodern zu werden, wenn sie nur auf den Hafen blicke. Genau das tue der gegenwärtige Senat, so Maier. Fixiert auf Investitionen in den Hafen, vernachlässige er die von ihm selbst propagierten Handlungsfelder.

Im Haushalt, sagte Goetsch, sei zum Beispiel ein bildungspolitischer Schwerpunkt trotz entsprechender Rhetorik nicht zu erkennen. Der Senat dränge die Kinder armer Familien aus den Kitas und selektiere die Schüler viel zu früh nach Leistungsklassen. Er sei für die hohe Jugendarbeitslosigkeit verantwortlich und dafür, dass an den Hochschulen so wenige Ausländer studierten. Er lasse es zu, dass überproportional viele Jugendliche aus Einwandererfamilien die Schule ohne Abschluss verlassen. Auch machten seit vier Jahren immer weniger jugendliche Migranten eine Lehre.

„Eine Stadt wie Hamburg kann es sich nicht leisten, dass die Kinder von Einwanderern nachweisbar schlechtere Bildungschancen haben“, findet Goetsch. Überdies schiebe der Senat auf Teufel komm raus ab. Es sei doch absurd, einerseits ein „Welcome Center“ für hoch qualifizierte Einwanderer zu gründen, und andererseits gebildete Afghanen vom Arbeitsmarkt fern zu halten und abzuschieben, sagte Maier.

Zugleich habe der Senat „einen Demokratieverlust, der seinesgleichen sucht“ zu verantworten, kritisierte Goetsch. Er missbrauche seine absolute Mehrheit, indem er den Bürgerwillen ignoriere, etwa beim Volksentscheid gegen den Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK). Er versuche die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst unnötig einzuschränken und habe das Parlament getäuscht.

Von Beust und seine Kollegen betrieben Raubbau an der Natur, indem sie immer neue Flächen bebauen ließen, den Autoverkehr förderten und weder gegen den Feinstaub noch gegen den Lärm genügend unternähmen. Der Klimaschutz stehe nicht „mehr auf der Agenda“ und dann wolle der Senat auch noch die Reste der ehemaligen Umweltbehörde zerschlagen.

Ein Blick auf das, was nach Ansicht der GAL zu tun wäre, offenbart allerdings eine erstaunliche Ähnlichkeit mit der CDU-Agenda: Bildung, Integration, die Förderung innovativer Technologien, mehr Lebensqualität, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das Stabilisieren von Stadtteilen – allesamt Felder, auf denen auch der Senat unterwegs ist. Je nach Handlungsfeld unterscheidet sich allerdings die politische Stoßrichtung beider Parteien mehr oder weniger ausgeprägt.

Warum Ole von Beust trotz eines so schlechten Zeugnisses von der GAL der Liebling vieler Hamburger ist? Maier: „Diese Regierung leistet sich eine Menge Fehler und der Bürgermeister hat es geschafft, diese als Hinterbänkler-Problem erscheinen zu lassen.“ GERNOT KNÖDLER