FELIX LEE POLITIK VON UNTEN : Der Deutschen-Hass ist nachvollziehbar
Die antideutschen Ressentiments in Griechenland haben ökonomische Ursachen. Der Vorwurf: Deutschlands Lohndumping hat die Griechen wichtige Marktanteile gekostet
Erst wirtschaften die Griechen ihr Land in den Ruin – und dann geben sie den Deutschen dafür die Schuld. Von antideutschen Ressentiments auf griechischen Demos wird berichtet. Ein Verbraucherverband in Athen ruft gar zum Boykott deutscher Waren auf. Suchen die Griechen bloß einen Sündenbock für ihr Finanzdesaster? Oder rührt ihre Wut wirklich – wie in Deutschland behauptet wird – aus nicht erfolgten Reparationszahlungen für Verbrechen der Wehrmacht?
Nun wäre Letzteres sicherlich auch ein Grund, auf die Straße zu gehen. Doch was das Thema mit der aktuellen Krise zu tun hat – das leuchtete mir nicht ein. Ich habe diese Frage daher auf einem einschlägigen internationalen Protestforum gepostet und sie gezielt griechischen Aktivisten gestellt. Prompt kamen die Antworten: Ja, die antideutsche Stimmung sei real, antwortet mir einer. Und ja, Deutschland werde verantwortlich gemacht für die aktuelle Krise. Aber nein, mit dem Zweiten Weltkrieg habe die Wut nicht zu tun. Aha, was dann, frage ich. Sie sei rein ökonomisch begründet.
In den letzten 20 Jahren hätten die Deutschen systematisch Niedriglohnpolitik betrieben und so die Wettbewerbsfähigkeit anderer EU-Staaten untergraben. Auf diesem Wege hätten die Deutschen den Süd-EU-Ländern wichtige Marktanteile entrissen. In wirtschaftlich schweren Zeiten treibe dies Länder wie Griechenland in den Ruin. Vielleicht sollten wir uns die aktuelle Griechenlanddebatte stärker unter diesem Aspekt ansehen.
■ Der Autor ist Redakteur für soziale Bewegungen Foto: W. Borrs