Ein Pisa-Test für besseres Klima

Germanwatch präsentiert erstes Messverfahren, das die Güte und den Erfolg von Klimaschutzpolitik bilanziert

BERLIN taz ■ Island, Lettland und Großbritannien sind Vorreiter im Klimaschutz. Das geht aus dem Klimaschutz-Index 2006 von Germanwatch hervor, der gestern in Berlin vorgestellt wurde. Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation hat den Index entwickelt, um die Klimapolitik einzelner Staaten vergleichen zu können. Mit dem Index sei erstmals ein „Pisa-Test für Klimapolitik“ möglich, sagte Geschäftsführer Christoph Bals. „Der Index bilanziert 53 Länder, die für 90 Prozent der weltweiten Treibgas-Emission verantwortlich sind.“

Die USA und Saudi-Arabien schneiden in der ersten Rangliste am schlechtesten ab. Deutschland rangiert auf Platz fünf. Grundlage des Klima-Index sind Zahlen der Internationalen Energie-Agentur. „Um sie vergleichbar zu machen, haben wir sie – analog zum Pisa-Test der Bildungspolitik – nach OECD-Standard genormt“, erläutert Jan Burck von Germanwatch.

Drei Bereiche mit unterschiedlicher Gewichtung gehen in den Test ein: die Güte der Klimapolitik mit 20 Prozent, absolute Indikatoren zu 30 Prozent – wie etwa die Pro-Kopf-Emission von Kohlendioxid oder der Energieverbrauch. Die Hälfte des Index wird durch so genannte Trend-Indikatoren bestimmt: Hat der Flugverkehr zugenommen? Wie stark wurde in Gebäude-Isolierung oder regenerative Energiegewinnung investiert? Betrachtet werden die Daten im Dreijahresvergleich. Die Klimapolitik benoten 30 internationale Klimaschutzexperten.

„Dieser Index ist das beste Hilfsmittel, das es bislang zur Bewertung nationaler Klimapolitik gibt“, urteilt Hartmut Graßl, ehemals Berater der Bundesregierung und Chef des Max-Planck-Instituts für Meteorologie. Graßl weist darauf hin, dass alle wissenschaftlich seriösen Arbeiten ergeben haben, „dass der Klimawandel schneller kommt, als wir das noch vor einigen Jahren prognostiziert haben“. Andererseits hinke die internationale Klimapolitik heute deutlich stärker hinter den Notwendigkeiten hinterher als noch vor Jahren erkennbar. „Wir können den großen Kollaps nur verhindern, wenn wir bis zur zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts 80 Prozent unseres derzeitigen Kohlendioxid-Ausstoßes reduzieren“, so der Meteorologe. Der Index sei ein guter „Wadenbeißer“: „Die aktuelle Entwicklung läuft darauf hin, dass – statt 80 Prozent weniger – dreimal mehr CO2 ausgestoßen wird.“

Auch das Internationale Klima-Sekretariat – die in Bonn ansässige Kioto-Protokoll-Zentrale – begrüßt den neuen Index. „Zwar erhebt und veröffentlicht das Sekretariat regelmäßig eigene Zahlen über das Erreichen der Reduktionsziele“, so Sekretariatssprecher Alexander Saier. Allerdings könnten die Klima-Diplomaten nicht so öffentlichkeitswirksam warnen „wie eine Organisation à la Germanwatch“.

Germanwatch will seinen Index explizit auch der internationalen Klimadiplomatie zur Verfügung stellen: „Wir suchen einen starken Partner, mit dem wir gemeinsam alljährlich im Vorfeld der Klimakonferenzen den Index erstellen“, so Germanwatch-Chef Bals. Dass solche Rankings etwas bewirken können, das zeige zum Beispiel der Pisa-Test.

Wie jedes Ranking hat allerdings auch dieses einen Haken: Island beispielsweise liegt gerade vorn, „weil dort ein riesiges Wasserkraftwerk eröffnet wurde“, so Experte Burck. Toll, könnte man meinen – wäre da nicht ein riesiges Naturschutzgebiet, das den Fluten zum Opfer fiel. Burck: „So etwas geht in ihn nicht ein. Der Klima-Index ist kein Nachhaltigkeits-Index.“

NICK REIMER

www.germanwatch.org