LESERINNENBRIEFE
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Bunt gemischt

■ betr.: „Asyl? Gibt’s nur in der Notaufnahme“ u. a., taz vom 1. 7. 13

Als Tochter eines Verwaltungsrichters, der seit langer Zeit mit Asylanträgen betraut ist, bin ich bei der Lektüre Ihrer Artikel aus dem Staunen nicht mehr rausgekommen. Neben der latenten Heroisierung der Hungerstreikenden, die durch moralische Erpressung ihr Asylgesuch durchsetzen und somit die Grundsätze der Rechtstaatlichkeit aushebeln wollten, werden hier auch die Kompetenzen von Legislative und Judikative bunt durcheinandergemischt.

1. Es ist nicht „Deutschland“, das Asylanträge prüft oder nicht prüft, sondern es sind einzelne Richter.

2. Es sind nicht die Richter, die die Rechtsprechung anwenden, die Dublin II zu verantworten hat.

Egal, wie man zu Gemeinschaftsunterbringung und Residenzpflicht steht, es war richtig, die Asylsuchenden vor dem Verhungern/Verdursten zu bewahren und ohne Prüfung der Anträge auch keine Anerkennung derselben zu gewähren. Dass gerade eine Zeitung des kleinen Gutmannes so offensichtlich mit Rechtsbeugung liebäugelt, finde ich so irritierend wie beschämend. JULIA GROTE, Dachau

Zeit und Fingerspitzengefühl

■ betr.: „Mit dem Islam ist kein Staat zu machen“, taz vom 5. 7. 13

Der Artikel gefällt mir gut, da er die ganze Problematik der Ereignisse aufzeigt. Der Putsch des Militärs drängt die Islamisten, die sich doch nach dem demokratischen Sieg ihres Frontmannes als unfähig und autoritär erwiesen haben, in eine Märtyrerrolle und untergräbt bei ihren zugegebenermaßen zahlreichen Anhängern das Vertrauen in die demokratischen Spielregeln, ja fanatisiert sie noch mehr. Die Alternative wäre aber gewesen, tatenlos zuzusehen, wie Mursi die noch kaum entwickelte Demokratie in eine religiöse Diktatur umformt.

Nun muss es darum gehen, ein breites Bündnis aus Liberalen, gemäßigten Muslimbrüdern und vernünftigen Militärs zu bilden, um Ägypten wirtschaftlich und gesellschaftlich zu stabilisieren. Natürlich können und dürfen wir nicht unser „westliches“ Politikmodell islamisch geprägten Gesellschaften aufnötigen, doch müssen die USA, als wichtiger Geldgeber, auf der Einhaltung rechtsstaatlicher und demokratischer Mindeststandards beharren. Die EU könnte bei der Ausbildung einer unabhängigen, verantwortungsvollen Justiz, bei der Schulung einer bürgernahen Polizei helfen. Unsere Presse muss weiterhin aufmerksam die Vorgänge am Nil beobachten, muss den Reformkräften Raum geben. Prominenz schützt vor willkürlicher Verhaftung. All das braucht Zeit und Fingerspitzengefühl.

Es bleibt zu hoffen, dass in Ägypten einflussreiche Persönlichkeiten die Aufgabe der Krisenschlichtung, der Versöhnung übernehmen. CHRISTIAN FUCHS, Gutenstetten

Vasallen der USA

■ betr.: „Edward Snowden dringend gesucht“, taz vom 4. 7. 13

Es ist offensichtlich: Die USA und ihre Präsidenten & Co. bestimmen seit Jahrzehnten, was Demokratie ist und wer die Feinde der US-amerikanischen „Freiheit“ sind.

Etwas vereinfacht ausgedrückt: Der Furz eines US-amerikanischen Präsidenten ist der EU, und insbesondere der Merkel-Regierung, wichtiger als der Schutz freiheitlicher Demokratie. Besäßen europäische Staatschefs (weiblich und männlich) Rückgrat, sie gewährten Edward Snowden EU-weit Asyl und lebenslanges Bleiberecht. Indes, unsere StaatenlenkerInnen haben keinen Arsch in der Hose, werden weiterhin Vasallen der USA bleiben.

REINHARD SCHARNHÖLZ, Kerpen

Mutig und ehrenwert

■ betr.: „Die Jagd nach Snowden über Europa“, taz vom 4. 7. 13

Es ist eine Unverschämtheit, was sich die politischen Klassen des Westens wieder einmal herausnehmen! Jeder, der längst überfällige soziale Reformen und – wenn notwendig – auch grundlegende soziale Veränderungen anstrebt, muss ständig damit rechnen, praktisch zum Verbrecher gestempelt und mit Schikanen und der Unterstützung seiner Gegner verfolgt zu werden. Die Medien haben dafür das Attribut „umstritten“ eingeführt.

Despoten reaktionären Zuschnitts, wie zum Beispiel die unumschränkten Herrscher der Golfmonarchien, werden jedoch hofiert und mit Waffen aller Art und jeder Größe ausgestattet, wenn sie nur den Interessen und Ambitionen unserer Machteliten und unserer marktkonformen Demokratie dienen. Zumindest vor Jahren noch soll man hierzulande Diktatoren und Kriegsverbrechern die heimliche Einreise in die Bundesrepublik ermöglicht haben, um sich hier in renommierten Krankenhäusern und von Kapazitäten ärztlich behandeln zu lassen.

Es wäre interessant zu beobachten, wie unsere selbstbewusste eiserne Kanzlerin sich gebärden würde, wenn man ihr etwas Ähnliches unterstellen würde wie Evo Morales und ihr Flugzeug zur Landung zwingen würde. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass es sich bei Edward Snowden, den man – angeblich? – im Flugzeug von Evo Morales vermutete, ähnlich wie bei Bradley Manning, nicht um einen Verbrecher handelt, sondern um eine mutige und ehrenwerte Person, die uns über die Machenschaften unserer politischen Klasse aufzuklären versucht hat und vielleicht sogar nach deutschem Recht eigentlich einen Anspruch auf Asyl hat.

LUDWIG SCHÖNENBACH, Bremen