: Noch zwei Dekaden Strom aus Braunkohle
VERSORGUNG Der Energieträger spielt noch 20 Jahre eine dominante Rolle, glauben die Netzbetreiber
BERLIN taz | Strom aus Braunkohle könnte in den nächsten zehn Jahren eine noch größere Rolle spielen als heute – trotz Energiewende. Die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) hat dazu mehrere Studien verglichen, in denen eruiert wird, welche Kraftwerke künftig zum Einsatz kommen.
Nun sind es ausgerechnet die Übertragungsnetzbetreiber, die davon ausgehen, dass die Energieversorger weiterhin in großen Mengen Braunkohle verheizen werden. Die AEE hat ausgerechnet, dass im Jahr 2011 Braunkohlekraftwerke im Schnitt 6.000 Stunden auf voller Leistung Strom erzeugten. Die Übertragungsnetzbetreiber simulieren in ihrem wahrscheinlichsten Szenario, dass es im Jahr 2023 7.425 sogenannte Voll-Laststunden sind und zehn Jahre später immer noch 7.000.
„Das ist energiewirtschaftlich unnötig und widerspricht eklatant den Klimaschutzzielen“, sagt Philipp Vohrer, Geschäftsführer der AEE. Die Agentur wird teilweise von Bundesministerien, teilweise aus der Branche der erneuerbaren Energien finanziert. Die extrem braunkohlefreundliche Berechnung der Übertragungsnetzbetreiber ist deshalb bedeutend, weil sie es sind, die den sogenannten Netzentwicklungsplan erstellen. Der wiederum ist die Grundlage für die Gesetze, in denen festgelegt wird, wo künftig neue Höchstspannungstrassen quer durch Deutschland gebaut werden und vor allem wie viele.
Der Plan hat dabei zwei Prämissen: Zum einen soll das Netz robust genug sein, um die schwankenden erneuerbaren Energien aufnehmen zu können und auch bei Defekten oder Unfällen die Stromversorgung sicherzustellen. Zum anderen soll es allen Energieerzeugern freien Zugang gewähren, die zudem laut EU-Vorgaben ihren Strom grenzüberschreitend handeln sollen – also auch Braunkohle. Entsprechend üppig fallen die Pläne zum Netzausbau aus.
Das Paradoxe an der Energiewende ist derzeit: Die schmutzige Braunkohle ist der billigste fossile Brennstoff, harmoniert aber gleichzeitig am schlechtesten mit den erneuerbaren Energien. Das könnte zum Problem werden: „Sobald der Verdacht besteht, dass der Netzausbau nicht mehr vorrangig der Energiewende dient, wird die Glaubwürdigkeit der Netzausbaupläne beschädigt“, glaubt Vohrer. IA