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Archiv-Artikel

Schlechte Laune regiert

Die SPD ist nach 100 Tagen Große Koalition nicht in Feierstimmung: Genossen aus dem größten Landesverband beklagen Profilverlust und Umfragetief. Kritik an SPD-Bundesministern aus NRW

VON MARTIN TEIGELER

Die NRW-SPD leidet an der Großen Koalition. Rund 100 Tage nach dem Start der Zusammenarbeit von CDU und SPD überwiegt an der nordrhein-westfälischen Parteibasis Unzufriedenheit und Frustration. „Diese Koalition ist ein ungeliebtes Kind“, sagte Juso-Landeschef Alexander Bercht gestern zur taz. Die Regierungsarbeit werde teilweise als „profillos und bürokratisch“ wahrgenommen, so der SPD-Politiker aus Münster.

Einige führende Genossen wollten sich gestern überhaupt nicht zum Mini-Jubiläum äußern. „Dazu fällt mir nichts ein“, so ein Vertreter der Parteilinken missgelaunt auf Anfrage. Das Rebellentum gegen die Große Koalition brach etwa jüngst beim SPD-Unterbezirksparteitag in Bochum offen aus. Bei der Delegiertenkonferenz forderten zahlreiche Redner ein klareres politisches Profil der SPD. Die „sozialdemokratische Handschrift“ sei nicht erkennbar. Besonders die Sparpolitik von Finanzminister Peer Steinbrück und das Vorpreschen von Arbeitsminister Franz Müntefering bei der Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre stehen in der Kritik.

„Ich dachte, die Zeit der Basta-Politik wäre vorbei“, so Dietmar Köster, Chef des SPD-Unterbezirks Ennepe-Ruhr. Die Erwerbstätigen angesichts von fünf Millionen Arbeitslosen noch zwei Jahre länger arbeiten zu lassen, sei „unklug“. Köster kritisierte auch die Kürzungen bei jungen Arbeitslosen: „Gerade jetzt, wo sich die Ortsvereine nach dem Krisenjahr 2005 wieder berappeln, schadet uns das sehr.“ Der Kreisverbandschef aus dem Ruhrgebiet forderte weitere öffentliche Investitionen zur Wirtschaftsankurbelung und eine stärkere Entlastung der verschuldeten NRW-Kommunen: „Sonst wird das nichts mit dem Aufschwung.“ Lobend erwähnte Köster die Familienpolitik der Koalition, etwa die Einführung des Elterngelds.

„Es ist bislang völlig unklar, für was wir in dieser Regierung stehen und wo die politische Reise hingehen soll“, sagte ein Mitglied des NRW-SPD-Landesvorstands. An der Basis herrsche auch Irritation über das anscheinend freundschaftlich-nette Verhältnis zwischen CDU-Kanzlerin Angela Merkel und Vize-Kanzler Müntefering. „Dabei haben wir doch nichts zu lachen, angesichts von Umfragen unter 30 Prozent.“ Laut einer gestern veröffentlichten Forsa-Umfrage kommt die SPD nur noch auf 28, die CDU erreicht 39 Prozent. Entsprechend rar sind die Koalitionskritiker inzwischen in der Union geworden.

Landesgruppenchef Rolf Stöckel gab den ersten 100 Regierungstagen die Schulnote „befriedigend“. Die Zusammenarbeit mit der CDU sei „gewöhnungsbedürftig“, so der Sprecher der NRW-SPD-Bundestagsabgeordneten. Man habe aber im Koalitionsvertrag viele SPD-Ziele durchsetzen können. Aus NRW-Sicht sieht Stöckel Nachbesserungsbedarf bei der Föderalismusreform und den Regionalisierungsmitteln im Nahverkehr.

Während SPD-Chef Matthias Platzeck gestern seine 100-Tages-Bilanz zog, wird der NRW-SPD-Vorsitzende Jochen Dieckmann erst am 1. März urteilen. Auf einer Aschermittwochskundgebung in Köln werden er und Steinbrück reden. Vielleicht steigt dann die Stimmung in der NRW-SPD.

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