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Archiv-Artikel

berliner szenen Zauber der Südseekneipe

Jugendclub für Männer

Die Kneipe war etwas düster. Das lag wohl daran, dass vieles in Orangetönen angestrichen war. Manches erinnerte an Südsee. Es gab auch viel Blau, Surfbretter und Göttermasken, exotische Alkoholflaschen und Dinge, die sich in der Tresengegend so ansammeln wie Strandgut, um eine Umgebung herzustellen, in der sich der Wirt, seine Kollegen und die Tresengäste wohl fühlen.

Die Gäste kamen aus der Gegend, die Betreiber waren teils ein paar Straßen weiter groß geworden. Wenn einen gegen Mitternacht das Bedürfnis überkam, noch kurz mal flippern gehen zu wollen, war die Kneipe in der Nähe und der Flipper gut gewartet. Vielleicht kam's einem selber auch nur etwas düster vor, und es war in Wirklichkeit gar nicht so dämmrig. Außerdem beginnt das Gefühl des Ein-bisschen-zu-Dunklen, das andere das Gemütliche nennen, bei einem selbst schon, wenn man nicht mehr lesen kann. Manchmal fühlte man sich hier wie im Urlaub, manchmal wie zu Hause; manchmal kam einem der Tresen auch vor, wie ein Jugendzentrum für Männer von plus, minus vierzig – schade nur, dass statt Bier nicht 20 Teesorten angeboten werden und alle immer trinken müssen!

Fünf oder sechs Männer saßen jedenfalls am Tresen. E. zeigte Musikvideos aus den 80er-Jahren. Es ist eigentlich ein Geschichtsunterricht, den er da gibt, und äußerst interessant. Die Musikvideos illustrieren, unmittelbarer als Texte es könnten, die Gedanken, Gefühle und Stile der damaligen Zeit. E. machte derweil Bemerkungen, wies bei Donna Summers „I Feel Love“ darauf hin, dass die schöne Sängerin in den 70er-Jahren bei den Les-Humphries-Singers war. Und ganz am Rande des Tresens las jemand in dem Buch „Schöne Verlierer“ von Leonard Cohen.

DETLEF KUHLBRODT