Verordnete Ruhe

Mit einer Ausgangssperre am Tag der Freitagsgebete hat die irakische Regierung versucht, weitere Ausschreitungen in Bagdad zu vermeiden

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

„Erst einmal den Deckel drauf“, lautete gestern das Motto der irakischen Regierung. Um das Land vor weiteren gewalttätigen schiitisch-sunnitischen Auseinandersetzungen zu bewahren, verhängten die Behörden in Bagdad und drei weiteren Provinzen eine Ausgangssperre und verhinderten dadurch zumindest teilweise, dass sich die Gläubigen in den Moscheen zum Freitagsgebet versammeln konnten. Es war befürchtet worden, dass diese Gebete erneut Ausgangspunkt für Zusammenstöße sein könnten. Seit der Zerstörung des schiitischen Schreins in Samarra am Mittwoch waren über 200 Menschen getötet worden.

In weiten Teilen Bagdads wurde die Ausgangssperre eingehalten. In den wenigen Moscheen in denen dennoch gepredigt wurde, wurde ein eher versöhnlicher Ton angeschlagen. Der Imam der größten sunnitischen Moschee in Bagdad, Abu Hanifas, verurteilte den Anschlag auf die Goldene Moschee in Samarra. Auch Abdelasis al-Hakim, Chef einer der größten schiitischen Parteien, des „Obersten Rates der Islamische Revolution“ (Sciri), beschwichtigte. Die Attentäter von Samarra repräsentierten nicht die Sunniten. Vielmehr handele es sich um Anhänger Saddam Husseins und der al-Qaida unter der Führung Abu Mussab al-Sarkawis, ließ er verlauten.

Dennoch kam es auch gestern in den Außenbezirken Bagdads und in anderen Teilen des Landes, zu vereinzelten Gewalttätigkeiten. In Latifija südwestlich von Bagdad stürmten am Morgen Extremisten das Haus einer schiitischen Familie und erschossen zwei Männer sowie eine Frau.

Die arabischen Zeitungen warnten unterdessen in Kommentaren davor, den Pfad eines Bürgerkrieges im Irak weiter zu beschreiten. „Jetzt emotional zu reagieren bedeutet, dass die Pläne derjenigen erfolgreich zu Ende geführt werden, die versuchen, das Land mit schmutzigen Methoden an den Rand eines Bürgerkrieges zu bringen“, warnt die überregionale arabische Tageszeitung Scharq al-Aussat. Logik und kühles Denken seien jetzt gefragt.

Al-Hayat, eine andere überregionale Tageszeitung, sparte nicht mit Kritik an den USA: „Auch die Besatzung trägt eine Mitschuld. Hätte man nicht den alten irakischen Sicherheitsapparat willkürlich aufgelöst, dann hätte al-Qaidas Sarkawi keinen Fuß in das Land setzen“ und zur prominenten Figur des Aufstandes werden können, glaubt das Blatt.

Aber auch irakische Sunniten und Schiiten bleiben von der Kritik der Zeitungen nicht ausgespart. Die jetzigen Verurteilungen irakischer Politiker seien nicht genug. Al-Hayat fordert, dass die Politiker alle Anstrengungen unternehmen, um eine Regierung der nationalen Einheit zustande zu bringen. Doch genau an dieser politischen Front tat sich auch gestern wenig. Sunnitische Politiker hielten weiterhin an ihrem Boykott der Regierungsgespräche fest.