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: Michael Greis

Es war kein Geringerer als Ole Einar Björndalen, der das Zepter weitergereicht hat. „In Salt Lake City war ich der König. Diesmal ist es Michael“, meinte der Norweger, der vor vier Jahren in allen vier Einzelwettbewerben der Biathleten den ersten Platz belegt hatte. Michael Greis hatte im Massenstartrennen sein drittes Gold nach dem über 20 Kilometer und dem in der Staffel gewonnen, nahm Glückwünsche des geschlagenen Konkurrenten entgegen und gab Auskunft über sein Gefühlsleben: „Ich bin fassungslos, aber es ist schön.“

Dass der Sportsoldat aus Nesselwang im Allgäu zum großen Dominator der Wettbewerbe von San Sicario werden würde, damit hatten wohl die wenigsten in der Szene gerechnet. Er selbst hatte sich über die 20 Kilometer Chancen auf eine Medaille ausgerechnet. Beim Rennen am ersten Wettkampftag der Spiele hatten ihn auch etliche seiner Konkurrenten auf der Rechnung. In der Vorsaison hatte Greis den Disziplin-Weltcup über die 20-Kilometer-Strecke gewonnen. Auch jetzt führt er in dieser Wertung. Der Drittplatzierte im Auftaktrennen, Halvard Hanevold, jedenfalls wunderte sich nicht über die Leistung von Greis: „Wer sagt, dass Michael ein Überraschungssieger ist, hat Biathlon in den letzten Jahren nicht gut verfolgt.“

Vielleicht ist es der ungewöhnliche Verlauf seiner Karriere, der Greis lange die Möglichkeit gab, sich im Schatten der großen, alten Männer der deutschen Biathlonszene wie Ricco Groß und Sven Fischer nach vorne zu arbeiten. Als Junior lief der Allgäuer der Spitze hinterher, später hatte er oftmals Schwierigkeiten, sich für den zweitklassigen Europacup zu qualifizieren. Um ein Haar wäre er aus dem Sportförderprogramm der Bundeswehr herausgefallen. 1996 ist er dann an den Bundesstützpunkt nach Ruhpolding gewechselt. Seitdem geht es beinahe stetig aufwärts in seiner Karriere. So richtig im Rampenlicht stand Greis das erste Mal als Schlussläufer der siegreichen Staffel bei der Weltmeisterschaft in Oberhof vor zwei Jahren. Vor einem Jahr gewann er ausgerechnet in San Sicario sein erstes Weltcuprennen.

Dass er nun so dominant wurde, liegt sicher auch daran, dass ihm die Laufoffensive von Bundestrainer Frank Ullrich besonders entgegengekommen ist. Der wollte den Abstand zu den schnellen Norwegern unbedingt verringern und setzte voll auf das Langlauftraining. Für Greis hat sich die Schufterei gelohnt. Beim Rennen am Samstag lief er nach dem letzten Schießen eine Weile locker neben den Polen Tomasz Sykora an der Spitze. Dann verschäfte er kurz das Tempo und war nicht mehr zu halten.

Der Ruhm ist nicht der einzige Lohn für drei olympischen Goldmedaillen. 100.000 Euro an Prämien stehen Greis nun zu. Dennoch soll sich wenig ändern. „Ich bin der Gleiche wie vorher und werde der Gleiche bleiben“, versprach er. ANDREAS RÜTTENAUER