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Archiv-Artikel

Großer Empfang für Nawalny

RUSSLAND Der verurteilte Oppositionelle will nach seiner Freilassung bis zum Berufungsverfahren Wahlkampf führen. In Moskau begrüßen ihn Anhänger mit Rosen

„Ich hätte nicht gedacht, dass wir so stark sind“

ALEXEI NAWALNY

VON KLAUS-HELGE DONATH

BERLIN taz | Mehr als tausend Anhänger haben den Antikorruptionsblogger Alexei Nawalny erwartet, als er am Samstag mit dem Zug aus dem nordrussischen Kirow in Moskau eintraf. Einige begrüßten den 37-jährigen Juristen mit weißen Rosen, während die Menge rief: „Nawalny ist unser Bürgermeister!“ Den Hinweis auf eine Bombendrohung kurz vor Eintreffen des Zugs ignorierte die Menge. Wenig später wurde Entwarnung gegeben.

Zum Begrüßungskomitee gehörten auch mehrere Hundertschaften der Bereitschaftspolizei und der Anti-Terror-Einheit Omon, die auf dem Bahnhof und in den umliegenden Straßen zusammengezogen worden waren.

Nawalny bestätigte, dass er am 8. September zur Bürgermeisterwahl in Moskau antreten werde. „Wir werden siegen“, sagte er der begeisterten Anhängerschaft. Nach seiner Verurteilung zu fünf Jahren Lagerhaft wegen angeblicher Veruntreuung von 10.000 Kubikmetern Holz im Wert von umgerechnet 400.000 Euro am Donnerstag hatte sein Wahlkampfstab zunächst einen Wahlboykott erwogen. Die unerwartete Freilassung am Freitag nach einer Haftbeschwerde der Generalstaatsanwaltschaft eröffnet Nawalny nun bis zum Berufungsverfahren die Möglichkeit, aktiv Wahlkampf zu betreiben.

Die Intervention der Staatsanwaltschaft galt jedoch nicht dem Urteil gegen Nawalny und den Mitangeklagten Piotr Ofizerow. Die Behörde beanstandete lediglich, dass die beiden noch im Gerichtssaal inhaftiert wurden, bevor das Urteil rechtskräftig ist.

Nawalny, der von seiner Frau begleitet wurde, bedankte sich bei den Anhängern und bat um Nachsicht wegen der Unannehmlichkeiten wie das frühe Aufstehen. „Wir sind eine starke Bewegung, ich hätte nicht gedacht, dass wir so stark sind“, rief er sichtlich bewegt. Er sei sich sicher, dass die Proteste in Moskau und anderen Städten unmittelbar nach der Verurteilung die Verantwortlichen bewogen hätten, ihn vorerst wieder auf freien Fuß zu setzen.

Der schärfste Kritiker Präsident Wladimir Putins forderte die Freilassung politischer Gefangener, unter ihnen die Mitglieder der Frauen-Punkband Pussy Riot und der frühere Ölmilliardär Michail Chodorkowski.

Derweil teilte die Moskauer Ermittlungsbehörde mit, dass gegen mehrere Anhänger des Oppositionellen Strafanzeige erstattet worden sei. Diesen wird zur Last gelegt, während der Demonstration am Donnerstag Wände der Duma in Moskau mit Aufschriften und Stickern verunstaltet und Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet zu haben. Kommt es zu einer Verurteilung wegen Vandalismus, drohen bis zu drei Jahre Haft.