Nur mit Herzschrittmacher

Im NRW-Theaterbetrieb wird das Publikum der Zukunft heftig umworben. Unglücklicherweise finden zeitgleich zwei Festivals im Ruhrgebiet statt, die Kinder und Jugendliche als ihre Zielgruppe definieren

VON PETER ORTMANN

Wolfgang Amadeus Mozart hatte einen Floh. Diese Angelegenheit hätte schon lange in Vergessenheit geraten können. Doch der Floh lebt erstaunlicherweise noch und meldet sich zum 250. Geburtstag des damaligen Wunderkindes zu Wort. Das theater 1 von Jojo Ludwig und Christiane Remmert macht in Bad Münstereifel Figurentheater für Kinder und Erwachsene. Am Sonntag eröffnet die Uraufführung von „Mozarts Floh“ den „Theaterzwang“, das 12. Festival der Freien Theater in Nordrhein-Westfalen.

16 Produktionen hat die New Yorker Choreographin Dyane Neiman für eine Woche nach Dortmund zum Wettbewerb eingeladen. Darunter das 360° Kindertheater „Um Himmels willen, Ikarus“ vom Bonner Marabu Theater und das Jugendstück „Verwandlungen“ von der freien Essener Theatertruppe Cantadoras. Am Ende werden von der Jury sechs Hauptpreise in Höhe von je 7.500 Euro vergeben. Erstmalig gibt es zusätzlich eine Jury aus Jugendlichen, die ebenfalls alle Stücke begutachtet und einen eigenen 3.000 Euro-Preis vergibt. „Ich möchte so viele Kinder und Jugendliche wie möglich zum Besuch im Theater verführen“, sagt Neiman. Doch der Schwerpunkt seien sie beim Theaterzwang nicht.

Viele von denen werden auch nicht kommen können – weil sie selber auf der Bühne stehen. Zeitgleich findet nämlich in Mülheim das 5. Unruh(r)-Festival statt. Ab heute treffen im Theater an der Ruhr die Jugendtheatergruppen von acht großen Stadttheatern des Ruhrgebiets aufeinander. „Das ist natürlich ein Absprachefehler mit dem Dortmunder Theaterzwang“, sagt Bernhard Deutsch, Theaterpädagoge am Ciulli-Theater. Beim nächsten Mal wolle man das besser machen. Preise gibt es in Mülheim nicht zu gewinnen, nur Erfahrung durch eine gemeinsame Kritik nach jedem Stück. Immerhin 175 Jugendliche aus den Theaterstädten Bochum, Dortmund, Essen, Oberhausen, Duisburg, Castrop-Rauxel und zum ersten Mal Hagen reisen bis Mittwoch dafür an. Eröffnet wird mit „Frühlingserwachen 05“ („Möchte doch wissen, wozu wir auf der Welt sind“) vom Jungen Theater an der Ruhr frei nach Frank Wedekind. Inszeniert von Heide Urban und Boris Mercelot, der vor Jahren selbst im Dortmunder Jugendtheater auf der Bühne gestanden hat. Danach spielt Leik Eick, eine junge Dortmunder Theatergruppe, die sich zur Band erklärt hat und Gedichte vertont.

Beim Theaterzwang widmet man sich besonders den Kindern und Jugendlichen und ihrer Art, Theater zu erleben und gönnt ihnen deshalb täglich eine Talkshow. Jugendliche Moderatoren (zwischen 13 und 18 Jahren) diskutieren am Nachmittag mit prominenten Gästen und Künstlern über Themen rund ums Theater. Fragen sich dabei, worüber Regisseure wohl nachdenken, wenn sie Theater für Jugendliche machen oder was Idole und Vorbilder bedeuten. Ein Filmauftrag wurde an Jugendliche auch vergeben und zum Abschluss gestalten sie bei der „Offenen Bühne“ ihr Programm dann selbst. Der Theaterpädagoge Matthias Hecht wird dafür sorgen, dass jeder Vortrag, Tanz oder Theater, Gedicht oder Szene im richtigen Licht erscheint.

Der Clou zum Schluss: Morgen beginnt im Aachener Ludwig Forum das 11. „schrit_tmacher“ Tanzfestival. Motto: „Große Welt, kleine Welt...“ und natürlich mit Kinderprogramm. Doch der Nachwuchs braucht in NRW wohl bald einen Herzschrittmacher, wenn er allen Angeboten nachgehen will. „Hier läuft eben mehr als in New York“, sagt Theaterzwang-Chefin Dyane Nyman.

Theaterzwang, Dortmund (5.-11.3.)Infos: 0231-982120Unruh(r), Mülheim (3.-8.3.)Infos: 0208-599010