: In der Verantwortungslücke
UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS Wer ist schuld am millionenteuren Desaster des Euro Hawk? Für die Exminister Rudolf Scharping und Franz Josef Jung, die das Projekt einst angeschoben haben, ist klar: wir jedenfalls nicht
■ Aufklärungsdrohne: 2007 billigt der Bundestag den Vertrag zur Entwicklung der Aufklärungsdrohne Euro Hawk des US-Herstellers Northrop Grumman zum Preis von 371 Millionen Euro. Später stiegen diese Kosten auf mindestens 662 Millionen Euro. 2013 kam heraus, dass die Drohne in Deutschland nicht zugelassen werden kann.
■ Eurofighter: Von diesem Kampfjet des Rüstungskonzerns EADS bestellte die Bundesregierung 1997 für knapp 12 Milliarden Euro 180 Stück. Im Juni wurde bekannt, dass bis Ende 2013 wohl 108 Flugzeuge ausgeliefert und dafür 14,5 Milliarden Euro gezahlt werden – eine Verdoppelung des Stückpreises. Wie viel alle Flugzeuge letztlich kosten werden, ist offen.
■ Hubschrauber: Ebenfalls im Juni kritisierte der Bundesrechnungshof, dass das Verteidigungsministerium wegen einer „Neuausrichtung“ statt 202 nur noch 157 neue Hubschrauber anschaffen will. Der Kaufpreis von 8,3 Milliarden Euro sank jedoch nur um 224 Millionen – eine Ersparnis von 2,7 Prozent bei einer Reduzierung der Stückzahl um 22 Prozent.
■ Truppentransporter: Mit drei anderen Nato-Staaten bestellte Deutschland 2003 bei EADS insgesamt 180 Exemplare des Transporterflugzeugs A400M. Die Gesamtkosten des Projekts stiegen seither von 20 Milliarden auf möglicherweise 31 Milliarden Euro. Am Sonntag wurde bekannt, dass es wegen Fehlern im Kaufvertrag für den Truppentransporter erhebliche Probleme bei der Zulassung in Deutschland gibt. (cja)
AUS BERLIN DENIS SCHNUR
Nach den ersten Zeugenvernehmungen im Euro-Hawk-Untersuchungsausschuss sieht die Opposition die Verteidigungsstrategie von Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) gescheitert. SPD und Grüne warfen dem Minister vor, sich nicht ausreichend um das wichtige Drohnenprojekt gekümmert zu haben. Union und FDP wiederum verwiesen auf „Geburtsfehler“, mit denen das Vorhaben schon weit vor der schwarz-gelben Regierungszeit belastet gewesen sei.
Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss, der klären soll, wer die Fehler gemacht hat, die den Steuerzahler jetzt Hunderte Millionen Euro kosten, nahm am Montag seine Arbeit auf. Als Zeugen geladen hatte er die Exverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) und Franz Josef Jung (CDU) sowie den Generalinspekteur der Bundeswehr a. D.,Wolfgang Schneiderhan.
Vor rund acht Wochen hatte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) das Euro-Hawk-Projekt gestoppt. Da wurde klar, dass eine Zulassung der Drohne für den europäischen Luftraum kaum möglich ist. De Maizière will erst unmittelbar zuvor von unlösbaren Problemen erfahren haben – und sprach mehrfach von „Geburtsfehlern“ in der Anfangszeit des Projekts.
Damals freilich regierte die rot-grüne Koalition, ihr Verteidigungsminister war Rudolf Scharping (SPD). Der wies am Montag vor dem Ausschuss jede Schuld zurück: „Das mit dem Geburtsfehler würde ich nicht sagen, wenn ich heute im Amt wäre“, so Scharping, „denn dann müsste ich mich fragen, warum ich den nicht früher gesehen habe.“
Die Anschaffung der Drohne sei nötig gewesen, um eine „Fähigkeitslücke“ bei der Bundeswehr zu schließen, sagte Scharping. Er habe der Entwicklung des Euro Hawk deshalb zugestimmt. Doch danach müsse eine ständige Prüfung erfolgen; wenn sich etwas ändere „muss ich als Verantwortlicher Konsequenzen ziehen“, sagte er.
Scharping räumte ein, dass „sicherlich Fehler passiert“ seien – doch die sieht er nicht in seiner Verantwortung. Vielmehr habe de Maizière in jüngster Zeit bei der Kommunikation gepatzt: „Wenn ich ein Projekt als strategisch bedeutend einstufe, dann muss ich mir als politisch Verantwortlicher auch die Informationen dazu einholen“, so Scharping. „Bei Informationen mag es eine Bringschuld geben, aber es gibt auch eine Holschuld.“ Es sei nicht nachvollziehbar, wie der Verteidigungsminister so spät von den erheblichen Problemen erfahren haben soll.
Vor der Sitzung hatte Scharpings Parteigenosse, der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold, gesagt: „Nachdem sichtbar wurde, dass der Minister de Maizière das Parlament und die Öffentlichkeit belogen hat, bin ich der Auffassung, dass er nicht mehr haltbar ist.“
Der einstige oberste General der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, verteidigte am Montag die geplante Anschaffung der Drohne als „wichtige strategische Maßnahme“. Auch er räumte Probleme bei dem Projekt ein, diese seien aber bei technologisch anspruchsvollen und neuartigen Beschaffungen „völlig normal“. Er sei stets sicher gewesen, „dass wir das schaffen“.
Der Untersuchungsausschuss kritisierte, dass in dem 2007 geschlossenen Vertrag mit dem Hersteller Northop Grumman die Möglichkeit der „Teilnahme am Luftverkehr“ – an der das Projekt schließlich scheiterte – nur als ein „Sollkriterium“ festgehalten worden war, falle es „technisch machbar und finanziell tragbar“ ist. Dabei dürfte klar gewesen sein, dass eine Drohne, die keine Zulassung für den europäischen Luftraum hat, nicht einsatzfähig sein wird. Schneiderhan sah darin kein großes Problem. „Wir wollten das System anfangs nicht überfordern.“ Von einem „Geburtsfehler“, von dem der Minister gesprochen hatte, könne keine Rede sein. „Mit dem Kenntnisstand von damals ist kein Fehler zu erkennen“, so Schneiderhan. Heute sehe das „vielleicht anders aus“.
Auch der Verteidigungsminister a. D. Franz Josef Jung (CDU) wies jede Schuld von sich. Dass der Euro Hawk nicht zugelassen werden könnte, sei zu seiner Amtszeit „kein Thema gewesen“. Er habe in die von ihm unterzeichneten Verträgen Schadenersatzklauseln einbauen lassen.
Abgeordnete der Linken, die sich mit dem Verhältnis des Verteidigungsministeriums zum Rüstungskonzern EADS befassen, wurden von der Ausschussvorsitzenden Susanne Kastner (SPD) als „nicht Teil des Untersuchungsgegenstands“ des Raums verwiesen. Die Linken-Abgeordneten vermuten hinter dem Debakel den Einfluss des Konzerns auf Beamte und Politiker im Ministerium und sprechen von „Veruntreuung“.
Am 31. Juli wird de Maizière selbst vor dem Gremium aussagen. Der hat indes mit neuen Enthüllungen zu kämpfen: In den letzten Tagen waren Probleme bei einer Reihe weiterer millionenteurer Rüstungsprojekte bekannt geworden (siehe Kasten rechts).