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Archiv-Artikel

Konservativer Gegner des Irakkrieges

Irgendjemand muss den Job ja machen. Großbritanniens Liberale Demokraten haben gestern den kurz vor dem Pensionsalter stehenden Menzies Campbell zum neuen Parteichef gewählt. Er war nicht der Wunschkandidat der 73.000 Parteimitglieder, aber sie hatten keine großen Alternativen. Die Wahl war notwendig geworden, weil der bisherige Parteivorsitzende Charles Kennedy Anfang des Jahres wegen Alkoholismus zurücktrat.

Der aussichtsreichste Kandidat für seine Nachfolge, Mark Oaten, schied frühzeitig aus dem Rennen aus, weil eine Boulevardzeitung seine Affäre mit einem Prostituierten enthüllte. Und auch Parteipräsident Simon Hughes, der zweite Favorit, war chancenlos, nachdem er widerstrebend zugeben musste, bisexuell zu sein, obwohl er seinen Unterhaussitz 1983 mit einer Anti-Schwulen-Kampagne errungen hatte.

Campbell gewann die Wahl mit 8.000 Stimmen Vorsprung vor dem 51-jährigen Christopher Huhne. Campbell wurde am 22. Mai 1941 in Glasgow geboren. Er studierte Jura an der Glasgow University und Internationales Recht an der Stanford University in Kalifornien. 1964 nahm er an den Olympischen Spielen im 100-Meter-Lauf teil. In dieser Disziplin hielt er von 1967 bis 1974 den britischen Rekord. Bei den Wahlen 1987 zog er ins Unterhaus ein. Seit 1992 ist er außenpolitischer Sprecher der Liberalen. Campbell gehört dem konservativen Parteiflügel an, war aber – wie seine Gegenkandidaten – gegen den Irakkrieg. Im Wahlkampf zwischen Huhne und Campbell beschuldigten sich beide Lager, hohe Summen auf den eigenen Kandidaten gewettet zu haben, um ihn als Favoriten erscheinen zu lassen. Campbell, der als Interims-Parteichef agierte, verspielte beinahe seinen Sieg, weil er sich bei den parlamentarischen Fragestunden sehr ungeschickt anstellte. Als er der Regierung auch noch vorwarf, dass viele Oberschulen keinen festen Schuldirektor haben, erntete er höhnisches Gelächter. Ihm war die Parallele zur eigenen Partei entgangen.

Campbell steht vor einer schwierigen Aufgabe. Die Farce um den Vorsitz hat der Partei schwer geschadet. Im vergangenen Monat schöpften die Liberalen allerdings wieder Hoffnung, nachdem ihr Kandidat Willie Rennie bei einer Nachwahl den Unterhaussitz gegen die Labour Party gewann. Doch im Mai werden die Liberalen bei den Kommunalwahlen wohl Verluste einstecken müssen. Die Tories sitzen ihnen im Nacken, nachdem sie mit David Cameron einen Mann an die Spitze gewählt haben, der die Konservativen zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt als wählbar erscheinen lässt.

RALF SOTSCHECK