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Archiv-Artikel

Zu Hause bei Schwarz-Grüns

VON GEORG LÖWISCH

Bad Schussenried, Oberschwaben. Oswald Metzger macht Cappuccino. Er ist ein begnadeter Schwätzer, und deswegen kann er vom Gurgeln seiner Espressomaschine eine Verbindung zur Eiszeit herstellen. „Wir sind hier direkt Endmoränengebiet, eine Wasserhärte von 21, 23“, sagt er, „da hat es die Maschine schwer. Obwohl wir das Wasser filtern.“ Auch wenn es um seine Partei geht, die Grünen, liebt der Politiker den großen, den existenziellen Bogen. Er beschreibt, wie sie auf Klippen tanzen, wie sie in der Postpubertät Selbstmord begehen. Sein spezielles Grünen-Thema hat er sich vor zehn Jahren angeschafft. Er mag es, es ist bei ihm zu Hause, und es hat Konjunktur: Schwarz-Grün.

Zu Metzger geht es die Hauptstraße von Bad Schussenried hoch. Vorbei an der Bäckerei Zoll und der Metzgerei Huber, die Maultaschen im Angebot hat, vier 500-Gramm-Beutel zu zehn Euro. Dann rechts die Zeppelin runter und links in die Robert Bosch, eine Spielstraße, in der nur Schrittgeschwindigkeit erlaubt ist. Ziemlich am Ende steht ein skandinavisches Fertighäuschen aus viel Holz. Familie Metzger.

Er trägt die Kaffeebecher in den Wintergarten und setzt sich auf einen Korbhocker. „Wenn Sie sehen, wo unser Laden hintreibt …“, stöhnt er. „Eine Katastrophe. Die Bejubelung von Buntenbachs Nominierung für den DGB-Vorstand.“ Er guckt, als habe jemand Essigreiniger in den Cappuccino gekippt. „Als ob wir ein Wurmfortsatz der Gewerkschaften sind“, sagt er. „Ein Riesenfehler. Wo sind denn grüne Hochburgen?“ Er zeigt nach links und rechts in die Nachbarschaft.

Gerade hat er einen Artikel für die Welt getippt. Abrechnung mit seiner Partei, Beschwören einer Schicksalsstunde, Schwarz-Grün als Alternative – ein klassischer Metzger. Über ein unartiges Kind reden die Tanten mehr als über ein braves. Metzger lebt von diesem Prinzip. Obwohl er in keinem Parlament sitzt. Mit 51 Jahren arbeitet er als eine Art freiberuflicher Politiker, der Vortrag zu 3.000 Euro. „Aber jetzt muss ich wieder andocken. Ich will nicht den Pausenclown abgeben.“ Er überlegt einen Moment. „Oder den Besserwisser. Ich bin einer, der was bewegen will.“

Deshalb kandidiert er bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 26. März. Seine Chancen sind gut. „Ich habe mir eine Benchmark gegeben: 10.000 Stimmen. Ich sage jetzt: Freunde, ihr könnt eine Volksabstimmung machen, ob ihr Leute wie Metzger in der Politik haben wollt.“

Eigentlich haben die Grünen ausgemacht, bis nach der Wahl nicht laut darüber zu sprechen, ob sie in Baden-Württemberg erstmals eine Koalition mit der CDU auf Landesebene eingehen würden. Sie fürchten immer noch, dass ihre Stammwähler plötzlich für die SPD stimmen oder gleich zu Hause bleiben. Oder dass Grünen-Allergiker bei der CDU-Wählerschaft sicherheitshalber die FDP wählen. Metzger hält sich natürlich nicht an das Verbot. „Das Feindbild ist weg. Die Jamaika-Gespräche waren die Lockerungsübungen.“

Er reckt sich auf seinem Korbhocker. „Ja, Freunde: Ihr müsst euch entscheiden“, legt er los, als wäre sein Wintergarten eine Stadthalle, „ob ihr euch als ökologisch-bürgerliche Partei aufstellt oder ob ihr euch zur SPD und zur Linkspartei orientiert: zu einer Volksfront. Und dann geht ihr unter.“

Mitte der 90er-Jahre begann Oswald Metzger den Reiz von Schwarz-Grün zu spüren. Als haushaltspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag sprach er erstmals öffentlich über eine Koalition mit der Union. Die Grünen-Chefs rüffelten ihn. Aber die Journalisten belohnten ihn mit Aufmerksamkeit. Im Wahlkampf 1998 übernahm sogar Helmut Kohl das Gedankenspiel und versuchte in einem Interview, das rot-grüne Lager aufzumischen. Neben Joschka Fischer lobte er Oswald Metzger: „Alle Achtung!“, schmeichelte Kohl.

Metzger lacht vergnügt: „Eine Adelung durch den Dicken, aber eine Hinrichtung vor den eigenen Leuten.“ Kohl verlor die Wahl, Rot-Grün kam an die Macht, und in den kommenden Jahren musste Metzger schon den Rücktritt von Scharping oder Trittin fordern, damit die Medien ihn nicht vergaßen. Bei der Nominierung zur Bundestagswahl 2002 ließen die grünen Delegierten ihn durchfallen.

Jetzt ist sein Thema wieder da. Er will Schwarz-Grün endlich testen. Andererseits muss er aufpassen: Am Ende kommt es zu seiner Wunschkoalition und er dümpelt im Mainstream rum. So sagt er noch, dass Schwarz-Grün nichts bringt, wenn die Grünen sich nicht ändern: Wachstumsskepsis, Mittelstandsförderung, Ächtung von Staatsschulden – seine alten Forderungen.

Metzger ist in Bad Schussenried bei den Großeltern aufgewachsen. Er hat als Studienabbrecher sein eigenes Schreibbüro aufgebaut. Jetzt sitzt er in Diskussionsrunden mit Roman Herzog und Jutta Limbach, trägt eine Brille von Dolce & Gabbana und Anzüge aus dem Herrenmodengeschäft seiner Frau. Viele Grüne, sagt er, kämen aus bürgerlichen Elternhäusern. Und jetzt lebten sie diese Erfahrungen eben wieder aus. „Vom Hausbesetzer zum Hausbesitzer.“ Er schaut zufrieden drein. Er mag den Spruch.

Mainhausen, Hessen. Kommt es wirklich bald zu Schwarz-Grün? Dieter Gröning fände das nur logisch. „Ich war ja meiner Zeit immer voraus.“

Gröning ist 67 Jahre alt, gerade kommt er vom Computerkurs heim. Er wirkt fit, vielleicht nicht ganz ausgelastet. Er ist seit 2004 pensioniert, nach 19 Jahren als Bürgermeister der 8.000 Einwohner zählenden Gemeinde Mainhausen im Kreis Offenbach. Ins Amt hat ihn 1985 eine schwarz-grüne Koalition gewählt, so was gab es in Deutschland bis dahin noch nie.

In Grönings Wohnzimmer hängen weiße Gardinen vor den Fenstern und der Kratzbaum soll die Katze von der Couchgarnitur weglocken. In der Schrankwand stehen Bücher von Tom Clancy und John Grisham. „Oben habe ich noch mehr“, sagt er. Erzählen kann er. Seine Geschichten funktionieren wie Thriller. Es gibt einen Helden, der gegen finstere Mächte kämpft, immer wieder mit sich hadert und am Ende gewinnt. Der Held ist er. „Ich war innerlich zerrissen“, sagt Gröning. Oder: „Da musste ich alle Tricks auspacken.“

Im Mittelpunkt seiner Geschichte steht ein gefährlicher Plan für eine Giftmülldeponie – und der Kampf dagegen. Die Anlage soll in einer Tongrube unterhalb des Grundwasserspiegels entstehen, die größte Europas, eine Millioneninvestition. Im Jahr 1985 kämpfen die Menschen in der Gegend gegen den Müllkonzern und die sozialdemokratisch geführte Landesregierung. Dieter Gröning, ein engagierter Beamter Mitte 40, kommt als Bürgermeisterkandidat der CDU nach Mainhausen. Die SPD verpasst knapp die absolute Mehrheit im Gemeinderat, CDU und Grüne tun sich zusammen – gegen die Deponie. Die Grünen sind Jungs vom Ort, einer trägt sogar Krawatte.

Manfred Kanther von der CDU grollt über den „Dorfschwank“, und die grüne Partei versucht, das Bündnis zu verhindern. Gröning wird gewählt. Sozialdemokraten erklären wütend, die CDU habe Zauberstifte verteilt. Damit die Tinte verschwindet und hinterher die Kreuzchen bei Gröning gemacht werden könnten. Die Geschichte zeigt, wie ein schwarz-grünes Bündnis die Parteien spalten und trotzdem sein Ziel erreichen kann. Zuerst sagte sich die Grünen-Fraktion von der Partei los und nannte sich Wählergemeinschaft Umwelt Naturschutz. Dann kam es zur Machtprobe in der CDU. Gröning gegen den CDU-Fraktionsvorsitzenden. Am Schluss lief der Vorsitzende zu den Ex-Grünen über, die Koalition zerbrach. Gröning regierte allein weiter, holte bei der nächsten Wahl die absolute Mehrheit. Er war der Gewinner. Und er kämpfte gegen die Deponie, bis die Landesregierung aufgab.

In Grönings Lebensthriller ist Schwarz-Grün wichtig, aber andererseits nur ein Kapitel. Er erzählt, dass er nach dem Krieg in ein Waisenhaus in die Sowjetzone kam, dass er den Vater wiederfand und der ein Jahr später bei einem Autounfall starb. Er beschreibt, wie er sich 1986 mit dem Umweltminister Joschka Fischer anlegte, der an der Mülldeponie festhielt, wie er dessen CDU-Nachfolger überlistete, indem er das Rathaus abschloss und wegfuhr, damit die Pläne nicht vorschriftsmäßig ausgelegt werden konnten. Wie er bei der ersten Direktwahl 70 Prozent bekam, aus Altersgründen abtrat und um die Nachfolgefrage den Krieg mit der CDU begann. „Wenn man mir das Fell über die Ohren zieht, möchte ich dabei sein“, sagt er. Bei der Gemeinderatswahl Ende März kandidiert er für die FDP.

Schwarz-Grün? Gröning interessiert die Frage nicht mehr besonders. In großen Geschichten sind Parteizugehörigkeiten Kulissen, entscheidend sind Männer, die sich was trauen und deren Handschlag zählt.

Die Katze streicht durchs Wohnzimmer. „Ich fahr’ Sie noch zur Bahn“, sagt er. „Warten Sie an der Pforte.“ Das Garagentor öffnet sich, und Gröning lässt seinen Jaguar aus der Einfahrt gleiten.

Berlin, Hackescher Markt. Ralf Fücks konzentriert sich auf das Wesentliche. Er trägt einen schwarzen Anzug, ein schwarzes Hemd, schwarze Strümpfe und schwarze Schuhe. Das Büro im Dachgeschoss der Hackeschen Höfe ist schlicht eingerichtet. Ein altes Wahlplakat der Grünen von Joseph Beuys, ein Schreibtisch für ihn, einer für seine Assistentin, ein Glastisch für Besprechungen. Fücks stützt seine Arme auf den Glastisch und dreht sein kleines Wasserglas langsam zwischen Daumen und Zeigefinger. „Jetzt geht es darum, dass die Grünen ihren Standort finden und politische Perspektiven überdenken.“ Er betrachtet sein Mineralwasser.

Fücks leitet die Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahe steht. Früher war er Bundessprecher der Partei. Er hat auf Parteitagen die Grabenkämpfe mitgeführt und sich in Bremen als Umweltsenator einer Ampelkoalition mit SPD und FDP gefetzt. Lange her. Er kommt gerade von einer Tagung in Warschau, und morgen muss er nach Kuala Lumpur. „Das heißt nicht, dass ich immer nur als Konferenztourist durch die Welt reise“, stellt er fest. Ein paar Tage später wird er noch eine E-Mail schicken. Aus Nairobi.

Fücks ist vorsichtig. Er kennt die Abwehrreflexe der Grünen. Er sagt, dass er nicht der schwarz-grüne Prophet sei. Und wenn er die Einwanderungspolitik der CDU analysiert oder die Schulpolitik, dann legt er sich wirklich die Hände an die Schläfen, als plage ihn eine Migräne.

„Mich hat die Schwarz-Grün-Debatte schon immer im gesellschaftlichen Kontext interessiert“, sagt er. „Ob das gelingen könnte: an den Nahtstellen gesellschaftlicher Entwürfe von Union und Grünen ein paar Blockaden aufzulösen.“ Er lässt jeden Satz einzeln in den Raum fallen, manchmal auch jedes einzelne Wort. Sein Gedanke sieht so aus: Die Grünen schließen Koalitionen mit der Union, in der großen Volkspartei setzen sich die weltoffenen, liberalen gegen die deutschnationalen Strömungen durch. Die haben die Kraft, die Unternehmer zu überzeugen, Ökologie und Ökonomie zu versöhnen. Und sie bringen die konservativen Deutschen dazu, ihre Haltung zu Einwanderern zu überdenken.

Früher hat Fücks als einer der Ersten für Rot-Grün gekämpft. Dann klappte es. Und jetzt, nach Rot-Grün, gesteht er Schröder und Fischer gerade noch zu, dass nicht alles Schrott gewesen sei. „Merkels Auftritt in Moskau.“ Er nickt. Überlegt. Nickt. „Gott sei Dank, dass Schröder nicht mehr den Kurs bestimmt.“ Er schaut zum Fenster, die Spitze des Fernsehturms ist gerade von Wolken verdeckt. „Es könnte mit der Union einen antitotalitären Konsens geben, als Klammer in der Außen- und Sicherheitspolitik.“

Er schaut auf die Uhr. Er findet, die Grünen müssten an die Macht zurück. Über die Länder. „Ich hoffe, dass die Grünen in Baden-Württemberg drittstärkste Partei werden“, sagt Fücks. „Dann ist das Spiel offen.“

Stuttgart Mitte. Michael Kienzle schlüpft durch eine Hintertür ins Café Deli. Er ist ein großer Mann mit weißen Haaren und, weil er der Stiftung vorsteht, der das Haus gehört, auch so was wie der Patron. Trotzdem duckt er sich ein wenig, damit seine 1,93 Meter niemandem Angst machen.

Das Haus Geißstraße 7 in der Stuttgarter Innenstadt hat 1994 ein rechtsradikaler Psychopath angezündet. Es war die Zeit nach den Anschlägen von Mölln und Solingen, in dem Haus lebten ausländische Familien. Viele sprangen aus dem Fenster, es starben sieben Menschen, darunter eine Frau, die im neunten Monat schwanger war. Feuerwehrleute haben heute noch Angst, am Haus vorbeizugehen. Der Literaturwissenschaftler Michael Kienzle und einige andere überredeten die Hauseigentümerin, eine Brauerei, das Gebäude einer Stiftung zu überlassen. Mit dem Geld von der Versicherung bauten sie es wieder auf und vergaben die Wohnungen an Obdachlose und Familien aus Bosnien oder Vietnam.

Im ersten Stock ist ein Veranstaltungsraum untergebracht und unten das Café Deli. „Man kann an der Basis viel machen“, sagt Kienzle. Er ist ein Mann jenes Typs, der zum Sommerfest nicht nur einen Kuchen mitbringt, sondern auch den Grill. Und der vorher rumfragt, wer kein Fleisch isst. Ohne Projekte wäre er unglücklich. Sein neustes ist ein Kinder- und Jugendtheater, vorher hat er sich um eine Gedenkstätte der Deportation von Juden von Stuttgart aus gekümmert. Er sitzt für die Grünen im Stadtrat, seine Frau arbeitet ehrenamtlich als Bezirksvorsteherin, die Tochter besucht die Waldorfschule.

Wenn Kienzle von seinen Projekten berichtet, sagt er immer „wir“. Er meint nicht die Grünen, sondern sich und die anderen Bürger. Zum „wir“ gehört meistens auch die CDU. Zum ersten Kuratoriumspräsidenten der Geißstraßen-Stiftung hat er den damaligen CDU-Kulturbürgermeister gemacht. „Ich versuche die Idee sofort so zu entwickeln, dass alle mitmachen. Deswegen ist die Frage Schwarz-Grün für mich nix Neues.“

Den grünen Bildungsbürger trennt vom christdemokratischen nicht so viel. Vielleicht noch, dass Kienzle mit dem Rad zur Uni und zum Rathaus fährt und die CDU-Leute zu autofixiert findet. Und dass er festgestellt hat, dass sie immer an Posten denken. Na schön.

Im Stadtrat gibt es keine feste Koalition. CDU und SPD sind gemeinsam für die Verlegung des Hauptbahnhofs unter die Erde. „Aber im Kulturbereich haben wir in den letzten Haushaltsberatungen alle Anträge mit der CDU durchgesetzt“, sagt Kienzle. Oft beantragt die SPD mehr Geld als CDU und Grüne. Neulich bei einem Radweg war das wieder so. „Das geht halt nicht.“

Kienzle ist 60. Früher hat er beim Kommunistischen Bund Westdeutschland mitgemacht, das waren die Maoisten. Chef war Winfried Kretschmann, heute Grünen-Spitzenkandidat in Baden-Württemberg. Irgendwann hat Kretschmann Kienzle rausgeschmissen. Wegen bürgerlicher Abweichung. Kienzle lächelt. „Auf dem Klo haben wir uns versichert, dass wir uns schätzen.“

Kiel, Rathaus. Der Spitzname erzählt schon viel: Püppi. Harmlos. Zum Spielen. Niedlich, aber dumm. Einer von der SPD hat ihn ihr zugerufen, die Journalisten haben ihn sich weitererzählt, und an den Biertischen haben sich die Männer angegrient. Der Name erzählt viel darüber, dass sie es nicht verstanden: warum diese Frau einen Erfolg nach dem anderen eingefahren hat.

Angelika Volquartz ist methodisch, freundlich, entschlossen. Oberbürgermeisterin von Kiel, Mitglied im CDU-Bundesvorstand, eine, die Angela Merkel zur Verbündeten hat. Sie sitzt in dem Amtszimmer des Kieler Rathauses, in dem über 50 Jahre lang sozialdemokratische Männer regiert hatten. Es ist ein hoher Raum mit heller Holztäfelung an Decke und Wänden. Es gibt Gemälde mit Schiffen und ein Steuerrad. Auf einem Schrank steht sogar ein Flugzeugmodell, der Lufthansa-Jumbo „Kiel“. Volquartz schaut hoch: „Ich fliege ausgesprochen gern“, sagt sie und lacht.

Der Ausbau des kleinen Kieler Flughafens war das einzige Vorhaben, das ihre schwarz-grüne Koalition belastet hat. Die Grünen waren dagegen, die CDU war dafür, sie war dagegen. Kein Geld, kein Bedarf. Das Land hat den Unsinn vor ein paar Wochen abgeblasen, der Stadtrat zog nach. „Ich konnte die Befindlichkeiten nach dem Beschluss verstehen“, sagt sie mitfühlend. „Die einen, die traurig waren, und die anderen, die sich gefreut haben. Es wäre wirklich schade gewesen, wenn die Zusammenarbeit da gescheitert wäre. Aber wir hätten auch dann eine Lösung gefunden, weil wir uns menschlich so gut verstehen.“ Sie redet oft so. Sie war früher Lehrerin für Biologie und Erdkunde und später Rektorin einer Realschule.

Vermutlich hat sie es immer so gemacht. Sie ist in Machtkämpfe gezogen, in Auseinandersetzungen um Parteiämter, um Landtag und Bundestag, ist gelassen geblieben und hat versucht, nicht viel Krach zu machen.

Sie redet über Schwarz-Grün so selbstverständlich, dass es fast langweilig wird. Eine Handelsfirma wurde bewegt, 500 Arbeitsplätze zu schaffen, die Hafenerweiterung ist beschlossen, mehr Kinderbetreuung auch, ein Sparplan für die nächsten zehn Jahre wurde aufgestellt. Die Grünen stellen Volquartz’ Vize, einen Bürgermeister, immerhin hat der den schönen Namen Peter Todeskino. „Wissen Sie“, sagt sie, „die Grünen sind einfach pragmatisch geworden. Die Chemie stimmt.“

Sie hat sich schon im OB-Wahlkampf mit dem grünen Konkurrenten verstanden. Sie saßen abends bei Diskussionsrunden in der Hebbelschule oder in der Halle 400 am Ostufer. Lutz Oschmann von den Grünen hat gesagt: „Ich bin eigentlich genau der Meinung von Frau Volquartz.“ Und sie hat gesagt: „Ich sehe das so wie Herr Oschmann.“ Vor der Stichwahl hat Oschmann zurückgezogen und die übliche Wahlempfehlung für die SPD stecken lassen. „CDU und Grüne haben sich schon mal angeblinzelt“, sagt Volquartz. Sie gewann, und im Rat wurde die Koalition geschlossen.

Wenn sie nach Berlin zu CDU-Sitzungen fährt, lästert niemand wegen Schwarz-Grün. „Man muss von dem Weg runter, dass es nur CDU und FDP, große Koalition oder SPD und Grüne gibt“, sagt sie. „Mit dem Druck, Probleme zu lösen und nicht Parteiprobleme, zieht ein anderes Denken ein.“ Bei der letzten Vorstandswahl hat sie das drittbeste Ergebnis bekommen. Sie ist etabliert. Auch, weil sie früh auf Angela Merkel gesetzt hat. Dafür hat die ihr im Wahlkampf geholfen. „Wir haben eine Art der Kommunikation, die kurz und bündig ist.“ Sie zuckt mit den Schultern. „Kein Brimborium. Sich unterstützen und sagen: Ich halte zu dir.“

Neulich haben sie per SMS ausgemacht, dass Merkel die „Kieler Woche“ eröffnet. Das ist im Juni. Schwarz-Grün in Kiel ist dann genau drei Jahre alt.