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Archiv-Artikel

Weiß wer, wo wir jetzt sind?

KUNST Die Galerie Klosterfelde, 1996 in der Linienstraße in Mitte gegründet, wird schließen. Gründe werden offiziell nicht genannt. Man kann das Ende der Galerie aber als Symptom einer strukturellen Krise lesen

Analysten beobachten Umsatzprobleme beim Mittelbau der 400 Berliner Galerien

VON INGO AREND

Als er den Tod der Galerieausstellung beklagte, hatte Jerry Saltz Grund dazu. Der New Yorker Kunstkritiker treibt sich gern in Galerien herum. Doch wo er in den letzten Monaten im Big Apple auch hinkam, beobachtete er Beunruhigendes. Immer öfter bleibe er in den Räumen allein, schrieb Saltz. Der Gedankenaustausch nehme ab. Nicht nur die Galerie in ihrer „Funktion als sozialer Raum“ werde bedeutungslos. Sein düsteres Fazit: „Der Kunst fehlt die Zugkraft.“

Unwillkürlich musste man an diese Diagnose denken, als dieser Tage die Berliner Galeristen Michael Klosterfelde und Lena Kiessler bekannt gaben, ihre Galerie zum 10. August zu schließen. Denn zu Klosterfelde ging man nie nur wegen der Hoffnung auf High class sellouts oder Promis. Werke von Künstlern wie John Bock, Matt Mullican, Hanne Darboven, Jorinde Voigt oder des niederländische Kaliforniers Jan Bas, dem Klosterfeldes aktuelle, letzte Ausstellung gilt, sind wirklich keine Waren, die mit Blick auf den Markt produziert worden sind.

Klosterfelde startete mit seiner Galerie 1996 in der Linienstraße in Berlin-Mitte, im Bannkreis der Kunst-Werke. Im Nachhinein wird er nun als „Erfolgsstratege“ tituliert. Doch den 1973 geborenen Sohn einer Hamburger Galeristin würde man nicht unbedingt unter den Typus subsumieren, den der Berliner Kunstkritiker Marius Babias in einer beißenden Abrechnung mit den Berliner Kunst-Verhältnissen einst mit dem Sarkasmus „cool, geschäftstüchtig, frisch geduscht: der dynamische Berliner Junggalerist“ bedacht hatte. Auch wenn Klosterfelde auf die Kunstmessen der Welt in Miami oder London abgraste. Dazu war der nachdenkliche Galerist zu sehr an eigensinnigen Künstlern interessiert.

Die Galeristen selbst schweigen beharrlich. Nur mit dem Satz „Ich bleibe in Berlin und bin gesund“ wurde Martin Klosterfelde zitiert. So nähren sie aber erst recht die Spekulationen, was der wahre Grund für die Schließung sein könnte: Sind sie pleite? Ist das Gefühl einer Zäsur der Grund für die Schließung? Ein Statement wie weiland von Paul Maenz, der Ende der neunziger Jahre seine legendäre Kölner Galerie mit der Erkenntnis schloss, seine „Zeit sei um“, war aus dem Hause Klosterfeld nicht zu hören. Hatten sie womöglich nach 18 Jahren und 104 Ausstellungen einfach genug? Das Kunstmagazin Monopol illustrierte seine Meldung von der Schließung mit einem Foto, das Martin Klosterfelde bei einer sommerlichen Bootsfahrt auf einem See zeigt.

Ganz so hoch hängt der Fall nicht. Mit den Koryphäen aus Kölner Avantgardetagen sind selbst die Speerspitzen der Berliner Szene schwer zu vergleichen. Doch dass einer der Köpfe der umstrittenen Verkaufsschau Art Berlin Contemporary, kurz ABC, so demonstrativ schlapp macht, lässt aufhorchen. „Dass die kommerzielle Szene in einer Zerreißprobe steht, weiß man seit der Gründung der ABC“, kommentiert Christoph Tannert, der Direktor des Künstlerhauses Bethanien, die Lage der Berliner Galerienszene. Und sieht die Nachricht als „schlechtes Signal für Berlin“. Im Jahr 2011 hatte die exklusive ABC mit ihren nobel kuratierten Schauen der erfolglosen Berliner Kunstmesse Art Forum den Todesstoß versetzt. Mag sein, dass Saltz’ Klage vom „Tod der Galerie“ spezifisch amerikanische Probleme spiegelt. Die sich verbreiternde Umsatzschere zwischen den Marktführern, für deren Hochpreismarkt Galerieräume nicht mehr notwendig sind, und lokalen Programmgalerien wie Klosterfelde macht sich schleichend aber auch in Berlin bemerkbar. Trotz gut besuchter Gallery-Weekends und Kunstherbst. Tendenziell wandelt sich die Szene hier aber noch in einer anderen Richtung.

Den etablierten Galerien tritt eine wachsende Zahl nichtkommerzieller Basisinitiativen entgegen. An der Spree hat sich das Bedürfnis nach Austausch und spontanem ästhetischem Urteil in die vielgepriesenen „Projekträume“ verlagert. Kein Wunder also, dass das Berliner Institut für Strategieentwicklung schon in diesem Frühjahr gravierende Umsatzprobleme beim Mittelbau der rund 400 Berliner Galerien ausmachte. Hergen Wöbken, sein Leiter, beobachtet eine gewisse „Orientierungslosigkeit in Bezug auf Kunst und Kunstmarkt. Eigentlich ist die Schließung nicht verwunderlich. Die große Frage ist, warum so viele andere Galerien nicht schließen“, sagte er der taz.

Insofern ist es dann vielleicht doch ein paradigmatischer Einschnitt, dass nun eine Galerie ihre Pforten schließt, die aus dem Berliner Kreativuntergrund der Nachwende-Zeit in Berlins Mitte hervorgegangen ist. Der jetzt in Büchern, Erinnerungen und Musik eine überraschende Renaissance erlebt. Umso unübersehbarer steht die Frage im Kunst-Raum, für die David Bowie den definitiven Titel gefunden hat: Where are we now?