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Archiv-Artikel

Stumme Protestschreie im Graefekiez

GASTRONOMIE Stammgäste des Dildile kämpfen mit still gehaltenem Sitzprotest gegen Sperrzeit

Kein regulärer Ladenbetrieb: Etwa 20 Stammgäste des Lokals Dildile haben sich am Dienstag- und Mittwochabend schwarzes Panzerband über die Lippen geklebt, um vor dem Kreuzberger Kellercafé in der Dieffenbachstraße stillen Protest zu üben. „Gegen Ungerechtigkeit und Böswilligkeit“ steht auf einem Bettlaken an der Hauswand – es geht bei dem Protest um die Öffnungszeiten der Außenterrasse des Dildile und damit um Kunden- und Umsatzzahlen.

„Es ist einfach absurd, dass das Dildile hier als einziges Lokal eine restriktive Sperrstunde einhalten muss“, erklärt Stammgast Robert Gottwald, 42. Dildile-Besitzerin Ayse Yalcin hatte das Lokal vor acht Jahren übernommen, als bereits die Auflage galt: um 22 Uhr muss die Terrasse auf dem Fußweg geräumt werden. Der Grund dafür ist Yalcin unklar: „Meine Vorgängerin hatte wohl Ärger, aber meine Akte ist leer. Wir machen keinen Lärm.“ Seitdem kämpft Yalcin um die Aufhebung der Sperrzeit.

„Im Graefekiez herrscht der ewige Kampf zwischen denen, die schlafen müssen, und denen, die feiern wollen“, sagt Demonstrant Rüdiger Brandt, 46. Etwa 15 Kiezlokale kamen den lärmgenervten Anwohnern in den letzten Jahren entgegen, kreierten die Kampagne „Wir sind dabei“ und einigten sich freiwillig auf frühere Schließzeiten des Außenbereichs. Unter der Woche bis 23 Uhr, am Wochenende bis 24 Uhr. Yalcin wollte an der Kampagne teilnehmen und sammelte 430 Unterschriften für die Lockerung ihrer Sperrzeit. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg gewährte für 2013 die Öffnung bis 23 Uhr. „Weil sich darüber aber ein Mieter erboste und dem Amt mit Klage drohte, wurde meine Sperrzeit letzte Woche wieder eingeführt“, klagt Yalcin. „Darum mussten wir protestieren!“

Im Schneidersitz ließen sich die Stammgäste an den zwei Abenden von 22 bis 23 Uhr vor dem Lokal nieder und irritierten Passanten. Yalcin ist optimistisch: „Wir kämpfen weiter. Es sind auch schon andere dem Galgen entkommen.“ MILENA MENZEMER