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Archiv-Artikel

DIE FORDERUNG, STREIKS BEI SCHNEEFALL ABZUBRECHEN, IST HIRNLOS Alle reden vom Wetter. Wir auch

Wenn in Deutschland gestreikt wird, ergeben sich daraus zwangsläufig zwei Lesarten: Gewerkschafter, Arbeitnehmervertreter, meinetwegen auch die SPD, verteidigen den Ausstand. Arbeitgeber, Unternehmer und vielleicht die FDP finden kein gutes Haar daran. Die Argumentationen pro und contra Streik mögen polemisch, gelassen kühl oder klassenkämpferisch sein. Allein, sie haben einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Gegenstand Arbeitskampf. Niemand ist bisher in diesem Land auf den Gedanken gekommen, einen Streik etwa mit der Begründung abzulehnen, eine partielle Mondfinsternis stehe an.

Doch das war einmal. Der Ver.di-Streik gegen Arbeitszeitverlängerungen ist nämlich nicht deshalb schlimm, weil der Staat kein Geld mehr zum Verteilen hat. Sondern wegen der Vogelgrippe. Sagen Guido Westerwelle (FDP), Antje Hermenau (Grüne) und der Hartmannbund. Der Ausstand müsse sofort beendet werden, weil es schneit. Sagt wieder Guido Westerwelle.

Diese Begründungen eine Beleidigung logischen Denkens zu nennen, ist noch eine Untertreibung. Weil ein paar Dutzend Vögel verstorben sind, soll der Müll auf der Straße eine Gefährdung darstellen? Fallen Enten vom Himmel, weil die Müllmänner streiken? Weil das Wetter ungemütlich ist, sollen Kindergärtnerinnen schnellstens zur Arbeit streben? Fährt die Münchner S-Bahn nicht mehr, weil es geschneit hat oder weil Ver.di streikt? Der Streudienst auf den Autobahnen ist übrigens vom Streik so gut wie gar nicht betroffen, weil die Gewerkschaft dort einen Notdienst erlaubt. So blöd sind die nämlich auch nicht.

Man mag über den Streik im öffentlichen Dienst denken, was man will: Ob er nun eine berechtigte Notmaßnahme gegen unzumutbare Arbeitszeitverlängerungen ist, eine überflüssige Belästigung der Bevölkerung oder der Versuch, althergebrachte Pfründen von Müllmännern und Kindergärtnerinnen zu sichern, darüber kann sich jeder selbst ein Urteil bilden. Die hirnlosen Einwürfe von gewissen Interessenvertretern lassen allerdings einen Verdacht aufkommen: Argumente gegen den Streik sind nicht so leicht zu finden. Also werden ein paar erfunden. KLAUS HILLENBRAND