Djangos Geister

FESTIVAL Zum zweiten Mal findet in Wilhelmsburg das „Elbinsel-Gipsy-Festival“ mit Musik, Ausstellung und Gesprächen statt. Diesmal gibt es einen guten Grund zu feiern: Django Reinhardt wäre 100 Jahre alt geworden

Djangos Geist findet sich in Hip-Hop-, Soul- und Elektromusik von heute allerorten

VON ROBERT MATTHIES

Nicht nur seine Herkunft aus einer französischen Manouches-Familie war für seine Karriere als Musiker zeitlebens ein Hindernis. Alles neu lernen und erfinden musste Jean-Baptiste „Django“ Reinhardt nach dem Unfall. 18 Jahre alt war er damals, 1928, als sein Wohnwagen plötzlich in Flammen stand und er sich schwer an Bein und Hand verbrannte, beim Versuch, seine schwangere Frau zu retten. Zwei Finger der linken Hand konnte der 1910 in Belgien in der Roulotte seiner Eltern, einem Zirkuswagen nebst Bühne, geborene Gitarrist nicht mehr bewegen. Da hatte er schon seit fünf Jahren sein Geld als Musiker verdient.

Aufgegeben hat Django Reinhardt nicht. Sondern in den folgenden anderthalb Jahren seine eigene Spieltechnik entwickelt, neu und absolut virtuos. Django – in Romanes: „ich erwache“ – spielte die Melodie fortan nur noch mit Zeige- und Mittelfinger, nahm für Akkorde in beschränktem Maß auch Ring- und kleinen Finger dazu, spielte vor allem ausgiebig mit dem Daumen, nutzte das Griffbrett eher horizontal zum Sweeping, führte Oktav-Doppelgriffe in den Jazz ein.

Und noch etwas machte er anders: Er ließ sich für seine außergewöhnlich einfallsreichen Kompositionen von allem inspirieren, was ihn umgab: New-Orleans-Jazz, französische Walzer, Impressionismus, die Musik der Sinti und Roma verwandelte Reinhardt in Jazz-Standards – ohne jemals Noten lesen zu können.

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, feierte der begnadete Saiteninstrumentalist mit dem „Quintette du Hot Club de France“ bereits in Paris große Erfolge. Und galt ohne Zweifel als bester europäischer Jazzmusiker. Seine Berühmtheit war es denn auch, die ihn 1943, nachdem er vergeblich versucht hatte, in die Schweiz zu gelangen, davor bewahrt hat, wie viele andere Roma und Sinti in deutschen Konzentrationslagern ermordet zu werden. Zurückgezogen lebte er bis zu seinem Tod 1953, nach einem Schlaganfall.

In diesem Jahr wäre Django Reinhardt 100 Jahre alt geworden. Anlass für das zweite „Elbinsel-Gipsy-Festival“ morgen und am Samstag im Bürgerhaus Wilhelmsburg, den Sinti-Musiker in den Mittelpunkt zu stellen. Um damit auf die lebendige Kultur hier lebender Sinti heute aufmerksam machen. Das jedenfalls hat sich die in Georgswerder ansässige Sinti-Familie Weiss mit dem Festival gemeinsam mit dem Bürgerhaus vorgenommen: ihre Sitten, Bräuche und Kultur der Mehrheitsbevölkerung näherzubringen, „damit eventuelle Vorurteile, die heute noch bestehen, abgebaut werden“.

Vor allem mit Musik, denn der Familie Weiss selbst entstammen einige der wichtigsten Vertreter des zeitgenössischen Sinti-Jazz. Zur Eröffnung morgen Abend stehen sie mit dem „Café Royal Salon Orchester“ und dem „Kussi Weiss Ensemble“ auf der Bühne – und spielen selbstverständlich auch Djangos Musik.

Wie eine echte „Django-Gitarre“ aussieht kann man dann am Samstag erfahren. Marie Schneider hat für ihren Film „Selmer und Favino“ den Hamburger Gitarrenbauern Michael Wichmann und Manuel May beim Nachbau des außergewöhnlichen Instruments über die Schulter geschaut. In einer Ausstellung sind ihre Arbeiten höchstselbst zu sehen.

Eine musikalische Biografie des mit ihr „weitläufig“ verwandten Gitarrenvirtuosen – präsentiert am Abend die Journalistin und Musikerin Susie Reinhardt. Zwei Jahre lang hat sie zum Einfluss Djangos recherchiert, im Januar ist ihre CD-Compilation „Django’s Spirit – A Tribute to Django Reinhardt“ bei Trikont erschienen. Und siehe da, Djangos Geist findet sich in der Hip-Hop-, Soul- und Elektromusik von heute allerorten. Aber die guten alte Platten hat Susie Reinhardt am Wochenende ebenfalls dabei. An die alte „Jazz in Paris“-Platte erinnern anschließend wieder Mitglieder der Weiss-Familie mit einem Konzert der Band „Swing 48“. Den Abschluss machen eine Balkan-Party mit DJ Romavilo und die „Balkan-Gipsy-Band“ „Gadje“.

■ Fr, 19. 3. und Sa, 20. 3., Bürgerhaus Wilhelmsburg, Infos und Programm: www.buewi.de