: „Keiner will Schröder eins auswischen“
Der BND-Skandal wird in den USA kaum wahrgenommen. Dass die Enthüllungen der vergangenen Wochen die rot-grüne Regierung rückwirkend diskreditieren sollen, hält der Politologe Jackson Janes für ziemlichen Unsinn
taz: Herr Janes, ein bislang unbestätigter Bericht in der New York Times über die Verwicklungen des Bundesnachrichtendienstes in den Irakkrieg sorgt in Deutschland für ziemliche Aufregung. Von Dementis bis Verschwörungstheorien bleibt kaum eine Reaktion aus. Gibt es eine Überreaktion in Deutschland?
Jackson Janes: Ja, denn es war ja nun nicht so überraschend, dass da ein Kontakt zwischen dem BND und der CIA in Bagdad bestanden hat. Es gibt seit eh und je eine Arbeitsbeziehung zwischen den beiden Geheimdiensten. Viel wichtiger wäre doch jetzt, sich in Berlin zu fragen: Welche Art von Außenpolitik wollen wir überhaupt machen?
Die Verwirrung rührt daher, dass die Opposition Deutschlands zum Irakkrieg sehr ausdrücklich war. Gibt es Beispiele aus der Geschichte, die zeigen, dass die Geheimdienstkooperation der beiden Staaten eine Konstante selbst in schlechten Zeiten ist?
Ich denke da an den Kalten Krieg, die 80er-Jahre, als wir die so genannten Double-Track-Auseinandersetzungen hatten. Die Kommunikation geht auf dieser Sicherheitsebene weiter, auch wenn sie auf anderen Ebenen mal nicht so gut funktioniert. Wir haben schließlich gemeinsame Sorgen und Probleme.
Wirkt – unter dieser Prämisse – die deutsche Reaktion auf die Enthüllungen aus New York aus amerikanischer Sicht naiv?
Ich würde eher sagen, dass es der deutschen Öffentlichkeit an Wissen oder Vorstellung mangelt über den verschachtelten und wechselseitig abhängigen Charakter der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Das ist eine sehr komplexe Beziehung. Dass lässt sich immer dann wunderbar studieren, wenn zum Beispiel die politische Ebene Schwierigkeiten hat und die wirtschaftliche ungestört floriert. So ist es auch seit dem Irakkrieg.
Dass nun ein so wichtiger Vorgang wie die BND-Verwicklung in den Medien statt in den Erklärungen einer der beiden Regierungen auftaucht, erhöht nicht gerade das Vertrauen der Wähler. Wie kommt es, dass die US-Regierung dieses Wissen – in einem Geheimpapier versteckt – einem Buchautor zusteckt?
Das gibt natürlich Anlass zu zahllosen Spekulationen. Dass der Journalist die ihm überlassenen Informationen nutzt, ist selbstverständlich. Unklar bleibt, welche Interessen ihm dieses Papier letztendlich zugespielt haben. Meiner Meinung nach hat niemand in der jetzigen Bush-Administration, weder im Pentagon noch im State Department, ein Interesse daran, der ehemaligen Regierung Schröder noch eins auszuwischen. Wer hätte denn da etwas davon?
Es könnte auch eine aus Schadenfreude motivierte Aktion Einzelner sein. Was denken die Amerikaner jetzt über Deutschland, das so rigoros gegen den Krieg auf die Straßen ging, nur um dann letztendlich Schützenhilfe mit seinem Geheimdienst zu leisten?
Einzelne, die sich zuvor sehr über Berlin geärgert hatten, mögen so etwas wie klammheimliche Freude empfinden. Die Amerikaner interessiert das aber eigentlich gar nicht. Wir sind so mit uns selbst beschäftigt. Selbst die Leute im Washingtoner inneren Machtzirkel stürzen sich nicht darauf, weil hier allgemein seit dem Amtsantritt von Angela Merkel eine positive Entwicklung in Sachen Kommunikation mit Deutschland wahrgenommen wird. Im Hinblick auf gemeinsame Sicherheitsfragen und den Iran zum Beispiel, auch wenn das manchen als übertrieben erscheint. Generell beginnt hier gerade wieder das Nachdenken darüber: Was brauchen wir eigentlich voneinander und wie brauchen wir uns gegenseitig?
Was nutzt eine Auseinandersetzung und Neubesinnung in Deutschland, wenn die andere Seite, nämlich die USA, ihre Hausaufgaben nicht machen will?
Sie haben Recht, eine kritische Auseinandersetzung über Guantánamo, Folter, Krieg gegen den Terror und interne Lauschangriffe ist längst überfällig. Sie kommt aber langsam in Gang und wird sicherlich die kommenden drei Jahre andauern, genauso aber muss sich Deutschland neu positionieren.
Inwiefern?
Man muss etwas nüchterner an die Sache herangehen. Was haben wir Amerikaner in den letzten Jahren nicht alles vermasselt, überbetont, unterschätzt oder willentlich übersehen?
Was wäre denn eine angemessene Reaktion auf die BND-Enthüllung?
Viel wichtiger ist doch die Frage: Welche außenpolitischen Prioritäten wollen die Deutschen in Zukunft setzen und wie viel Souveränität wollen sie sich leisten? Was will man können, müssen oder dürfen? Man muss ja aus dieser BND-Geschichte Konsequenzen ziehen. Ob ein Untersuchungsausschuss das richtige Mittel dazu ist, wage ich angesichts der erwartbaren Schlammschlacht, die dann aus innenpolitischen Strategien heraus stattfinden wird, zu bezweifeln. INTERVIEW: ADRIENNE WOLTERSDORF
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