: 1.500 Unterschriften für ein Bleiberecht
Seit 17 Jahren lebt die 13-köpfige kurdische Familie Aydin in Berlin. Die Härtefallkommission hat sich für ein Bleiberecht für die Flüchtlinge ausgesprochen. Innensenator Körting dagegen will die Eltern und vier ihrer Kinder abschieben. Lehrer, Elternvertreter und Mitschüler protestieren
Kichernd läuft die siebenjährige Gülbahar Aydin an dem Wachpolizisten vorbei ins Foyer des Abgeordnetenhauses. Ihre Klassenkameraden und deren Eltern tragen Transparente. Darauf steht: „Gülbahar soll bleiben.“ Aber so richtig scheint Gülbahar gar nicht klar zu sein, warum so viele Leute hier versammelt sind. Aufgeregt rennt sie durch die riesige Vorhalle.
Svenja Pelzel und Gerd Fittkau, beide Elternvertreter, halten eine Unterschriftenliste mit über 1.500 Namen, ein Petitionsgesuch und hübsche Zeichnungen von Gülbahars Klassenkameraden bereit. Ihre Kinder gehen mit Gülbahar in eine Klasse. Zusammen mit anderen Elternvertretern, Sozialarbeitern, Lehrern und Mitschülern von fünf anderen Aydin-Kinder übergeben sie die Liste an den Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Ralf Hillenberg. Sie protestieren gegen die drohende Abschiebung des Ehepaars und vier seiner elf Kinder. Die Familie sei in Deutschland zu Hause und dürfe nicht auseinander gerissen werden, sagte Svenja Pelzel.
Es ist schon die zweite Petition, eine andere läuft bereits seit einem Monat. Solange der Fall im Ausschuss verhandelt wird, darf die Familie nicht abgeschoben werden, selbst wenn in wenigen Tage ihre Duldung ausläuft. „Solange es keine Straftaten gibt“, erklärt Hillenberg, „genießen sie einen gewissen Schutz. Kinder brauchen wir ja in unserer Gesellschaft. Und wenn Kinder hier integriert sind, dann ist das eine gute Ausgangsbasis.“
Als integriert dürfen sie wirklich gelten. „Die Familie entspricht dem Ideal des integrierten Ausländers“, meint Svenja Pelzel, die den Protest gegen die Abschiebung koordiniert. „Sie sprechen zu Hause Deutsch, haben gute Leistungen und machen Abschlüsse. Sie sind Klassensprecher und Streitschlichter. Eine Tochter engagiert sich in einem Seminar gegen Antisemitismus. Außerdem würde die Familie dem deutschen Staat nicht auf der Tasche liegen.“ Denn wenn sie dürften, würden sie sofort eine Arbeit aufnehmen können.
Mit ihrem Protest wollen sie nun Innensenator Ehrhart Körting (SPD) umstimmen. Er hat entschieden, dass ein Teil der Familie das Land verlassen muss – trotz der Bedenken der Härtefallkommission. Nicht alle müssten gehen: Einige Familienmitglieder sind schon verheiratet und haben einen gesicherten Aufenthaltsstatus; drei der Mädchen dürfen ihre Ausbildung hier beenden. Dann aber sollen auch sie abgeschoben werden, wenn es nach dem Innensenator geht.
Dass der Vater einst seinen Antrag auf Asyl unter falschem Namen gemacht hat, ist der Grund für die Entscheidung des Innensenators. Das war vor 17 Jahren, als er noch Angst vor der kurdischen PKK haben musste – sie hatte seine Tochter entführt, um ihn zu erpressen. „An seiner Stelle hätte jeder so gehandelt“, sagt Svenja Pelzel.
Fayyaz Aydin war 1989 mit seiner Familie nach Niedersachsen geflüchtet, nachdem er in der Türkei im Gefängnis gewesen war und Folter erlebt hatte. Doch auch in Deutschland geriet er zwischen die Fronten. Der türkische Geheimdienst wollte seine Mitarbeit. Die PKK bekam das heraus und entführte daraufhin seine Tochter. Deshalb flüchtete Aydin aus Niedersachsen nach Berlin und gab sich hier als Libanese aus. Das fiel ihm nicht schwer, denn er stammt aus einem Ort ganz im Südosten der Türkei, der nahe der syrischen Grenze liegt, und spricht deshalb neben Kurdisch und Türkisch auch Arabisch. Vier Jahre später flog die Notlüge allerdings auf. Dennoch durfte er in Deutschland bleiben. Bis 2004, da wurde sein Asylantrag abgelehnt. Seitdem wird der Aufenthalt der Familie monateweise verlängert. Das letzte Mal war sie Mitte Februar bei der Ausländerbehörde. In wenigen Tagen läuft die Frist aus. ZONYA DENGI