PRÄSIDENT WILL SEINEM VOLK EINE NEUE FAHNE SCHENKEN : Malawi flaggt mit Sonne satt
VON MARC ENGELHARDT
Malawi ist nicht nur eines der ärmsten, sondern auch eines der kleinsten Länder Afrikas. Wäre da nicht der gleichnamige See, der auf Karten blau heraussticht, man könnte den schmalen Streifen Land glatt übersehen. Vielleicht ist der Nationalstolz der Malawier deshalb umso größer, dachte ich mir, als ich kürzlich in der Hauptstadt Lilongwe war und Straßenverkäufer vor allem ein Produkt anpriesen: Malawi-Flaggen, einzeln, doppelt oder gleich im Sixpack bei gehörigem Rabatt.
Nun kann man zu Recht behaupten, die malawische Fahne sei schön: schwarz-rot-grün längsgestreift und eine im schwarzen Band aufgehende rote Sonne, die „Afrika“ zu sagen scheint. Aber gleich kaufen? Das schien mir dann doch abwegig.
Bis mich ein junger Mann darüber aufklärte, wie gefährdet die Banderole ist. „Kaufen Sie, unser Präsident will uns eine neue Flagge verpassen.“ Wer im Fahnenschlussverkauf nicht zugreift, der muss ohne aufgehende Sonne auskommen. Kurz vor Weihnachten ließ Malawis Präsident Bingu wa Mutharika (der seinen Palast schon einmal wegen umgehender Gespenster räumte) ankündigen, dass er seiner Nation ein besonderes Geschenk machen wolle. „Das Symbol der aufgehenden Sonne hatte im Aufbruch der Unabhängigkeit Sinn“, so Regierungssprecher Reckford Thotho. „Damals begann ein neuer Tag für unseren Staat, aber seitdem hat sich viel getan. Es kann nicht immer noch Morgengrauen sein.“
Mutharikas Entwurf tauscht schwarzes und grünes Band. Die Sonne ist mit dem schwarzen Band in die Mitte umgezogen und strahlt dort in Weiß und voller aufgegangener Pracht. Doch das ist es nicht, was die Menschen in Malawi gegen die Flagge aufbringt. Eine Bürgerbewegung hat sich gegründet: „Rettet Malawis wunderschöne Fahne“. „Die aufgehende Sonne ruft uns auf aufzuwachen“, sagt ein Sprecher, der Unidozent Tom Likamble. „Lasst uns aufwachen und ein besseres Malawi aufbauen, ohne Hungersnöte, Krankennotstand, überfüllte Klassenräume und Benzinknappheit.“ Likambles Urteil steht fest: Die Sonne in Malawi ist halb voll, wenn nicht gar halb leer. Deshalb soll die alte Flagge bleiben.
Mutharika ist gerade erst zum Präsidenten der Afrikanischen Union gewählt worden. Dass ihm sein eigenes Volk so vehement widerspricht, dürfte ihn ärgern. Vor allem, weil der derzeit genutzte Entwurf von Gründungspräsident Hastings Kamuzu Banda stammt, der sich selbst zum Staatschef auf Lebenszeit ernannte und für Skurrilitäten berühmt war. So verbot er den Song „Cecilia“ von Simon & Garfunkel, weil er ihn an eine verflossene Liebschaft erinnerte.
Malawi atmete auf, als Banda aus dem Amt gejagt wurde. Dass sich gerade die Banderole so viel Zuspruchs erfreut, ist eine ironische Fußnote in Malawis kaum fünfzigjähriger Geschichte.