: Calmund bekämpft den Fußball-Alzheimer
Die Affäre um die versickerte halbe Million Euro bei Bayer 04 geht weiter. Ex-Manager Reiner Calmund sagt, Trainerstab und Management des Klubs seien über die Geldzahlungen an Spielerberater informiert gewesen
KÖLN taz ■ Im vornehmen Kölner „Rotonda-Club“ wollte Fußballpromi Rainer Calmund gestern seinen Ruf reinwaschen. Weil die Kölner Staatsanwaltschaft gegen den Ex-Fußballmanager wegen des Verdachts der Untreue ermittelt, hatte „Calli“ Calmund samt Anwalt die Presse geladen. „Das wird hier keine Show-Time, es geht um Sachaufklärung“, enttäuschte der Arbeitsrechtler Dr. Stefan Sitz zu Beginn die Sportreporter.
Tatsächlich diktierte ein sichtlich nervöser Calmund den Journalisten seine Version von den verschwundenen 580.000 Euro in die Blöcke. Er habe diese Summe im Juni 2003 tatsächlich dem Gütersloher Spielerberater und „Windhund“ (Calmund) Volker Graul in bar übergeben als Provision für Anbahnungsgeschäfte mit insgesamt fünf Fußballprofis. Weil aber zuvor ein lukrativer Transfer des Spielers Lucio zum AS Rom platzte, habe Leverkusen für die Wechsel Geld gefehlt. So weit, so bekannt. Doch laut Calmund gingen die Geschäftsbeziehungen munter weiter. Spielerberater Graul habe einen „renommierten Finanzmakler angeschleppt“, der auch Calmunds Co-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser überzeugt habe.
Graul sollte alsbald drei weitere Transfers mit „richtigen Granaten“ (Calmund) anbahnen. Unter anderen Bedingungen: „Nur bei einem Vertragsabschluss hätte Graul 100.000 Euro pro Mann bekommen“, so Calmund.
Zu Auseinandersetzungen mit Graul kam es erst Anfang 2004, als das Finanzamt Bielefeld 92.800 Euro Mehrwertsteuer für den Geldtransfer forderte und Einkommensteuer. Nach Verhandlungen mit Steuerexperten – laut Calmund war Wolfgang Holzhäuser auch daran beteiligt – habe der Club Graul 350.000 Euro zugestanden. Da Vizemanager Holzhäuser, so das einstige Bayer-Schwergewicht, den Namen Graul „nicht mehr in den Büchern haben wollte“ wurde ein Kontakt zu einem Schweizer Vermögensverwalter hergestellt. Dieser fungierte nun als Vermittler zu Graul – eine obskure Geschichte: Für ein Transfergeschäft, das nie zustande kam, soll Graul rund eine Million Euro aus dem Bayer-Umfeld kassiert haben.
Damit nicht genug: Laut Calmund war der Klub nach seinem Ausscheiden im Juni 2004 „der Auffassung, dass das 350.000 Euro-Darlehen an Graul eine Privatsache von mir ist“. Der Betrag sei ihm von seiner Abfindung abgezogen worden. „Das war die Abfindung und ein Jahresgehalt«, sagte der Fußballbotschafter, „es hat nicht viel gefehlt und der Strom wäre ausgefallen und die Mäuse hätten im Kühlschrank Klimmzüge gemacht.“
Calmund bekräftigte erneut, dass „viele Leute“ eingeweiht gewesen seien. Er nannte neben Holzhäuser auch Ex-Trainer Klaus Augenthaler, Ex-Manager Ilja Kaenzig und Sportdirektor Jürgen Kohler: „Die können ja nicht alle Alzheimer haben“. Da Holzhäuser erst im Frühjahr 2004 von allem erfahren haben will, lügt entweder Calmund oder Holzhäuser. Eine Frage für die Gerichte. ERIK EGGERS