: Brüssel überlässt Koexistenz den Ländern
EU-Kommission sieht Gefahren beim Mischanbau von Gentech- und anderen Pflanzen. Regeln aufstellen will sie nicht
BERLIN taz ■ In der Europäischen Union gibt es kein Recht auf gentechnikfreie Regionen. Kein Mitgliedsstaat dürfe „ungerechtfertigte Barrieren“ gegen den Anbau von Gentech-Pflanzen aufstellen, betont die EU-Kommission in einem Bericht zur „Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen“. Entgegen früherer Aussagen will die Kommission aber vorerst keine EU-weiten Regeln für dieses Nebeneinander von Gentech- und herkömmlichen Pflanzen vorlegen. Nun obliegt die Regelung zunächst den Mitgliedstaaten.
„Abwarten und Kontaminieren“, nennt die Umweltschutzorganisation Friends of the Earth Europe diese Strategie. Mit ihrem Nichthandeln sorge die Kommission dafür, dass ein gentechnikfreier Anbau unmöglich werde – noch bevor es überhaupt zu EU-Regelungen komme.
Obwohl die Kommission die Mitgliedstaaten schon 2003 aufgefordert hat, die Koexistenz national zu regeln, haben das bislang nur vier EU-Länder getan: Dänemark, Deutschland, Portugal und zum Teil Österreich.
Die Kommission macht es den Regierungen auch nicht einfach: Landwirte, die keine gentechnisch veränderten Kulturen anbauen, sollen davor geschützt werden, dass ihre Pflanzen von manipulierten Organismen kontaminiert werden – aber nicht zu sehr: Sind Gentech-Pflanzen nach EU-Recht zugelassen, darf beispielsweise kein Mitgliedstaat den Anbau verhindern. Auch wenn die nationalen Hürden für den Anbau zu hoch sind, reagiert die EU-Kommission. So mussten in Österreich das Bundesland Oberösterreich und Salzburg auf Brüsseler Druck ihre Pläne wieder einstampfen, ein generelles Anbauverbot für Gentech-Pflanzen zu erlassen. Slowenien wurde untersagt, nur gentechfrei produzierende Landwirte zu unterstützen. Auch Italien wurde verwarnt. Dort ist nämlich der kommerzielle Anbau von Gentech-Pflanzen so lange untersagt, bis die Provinzen eigene Koexistenzregelungen verabschiedet haben.
Nächster Kandidat auf der Mahnliste der EU-Kommission wird vermutlich wieder Österreich sein. Denn der von Oberösterreich vorgelegte neue Gesetzentwurf sieht vor, dass die zugelassenen Gentech-Pflanzen nur angebaut werden dürfen, wenn eine Haftpflichtversicherung für den Fall von Gentech-Kontaminationen abgeschlossen wurde. Bisher jedoch gibt es in der EU keine solche Versicherung. Die Schadensummen seien nicht abwägbar, heißt es bei den Unternehmen. WOLFGANG LÖHR