: Naturfreundejugend Berlin
„Sei realistisch, versuche das Unmögliche“
Naturfreundejugend – der Name klingt nach Wanderschuhen, Lagerfeuer und Gitarrengeklimper. Tatsächlich ist die Arbeit der Berliner Ortsgruppe des parteiunabhängigen Jugendverbands aber nicht hauptsächlich auf Reisen ins Grüne ausgerichtet, sondern auf eine herrschaftskritische Gesellschaftsanalyse.
Hinter diesem recht abstrakten Begriff steht die Auseinandersetzung mit Themen wie Nationalismus, Sexismus, Rassismus, um nur einige aufzuzählen. Völlig willkürlich ist die Themenwahl nicht: Unter Herrschaftskritik versteht die Naturfreundejugend eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Gründen, aus denen Menschen sich gegenseitig unterdrücken, ausschließen oder anfeinden. „Wir wenden uns gegen jede Form von Herrschaft und Ausbeutung“, erklärt Sarah (28), die im Vorstand der Naturfreundejugend Berlin (NFJ) sitzt.
Was das genau heißt, war gut an der letzten Kampagne des Verbands abzulesen: Seit Anfang 2009 sorgte immer wieder ein großer pinkfarbener Plüschhase für Aufregung. Egal, ob es die Feierlichkeiten zum Jubiläum der Varusschlacht waren oder Gedenkversammlungen am Volkstrauertag, der Hase störte mit Vorliebe Veranstaltungen, an denen die deutsche Geschichte für eine nationale Gesinnung aus einer einseitig beschönigenden Perspektive dargestellt wurde.
Die Naturfreundejugend kritisiert das menschenverachtende Handeln Deutschlands im Namen von Kolonialismus und Nationalsozialismus, aber auch die aktuelle Verschärfung der Asylpolitik und die Zunahme rechtsextremer Gewalt.
Mit der Kampagne „Pink Rabbit gegen Deutschland“ sollen laut Broschüre „verschiedene Arten nationaler Inszenierung entlarvt, ironisiert und gestört werden“.
So war der rosafarbene Hase nicht nur Mittel zur Belustigung, sondern verteilte bei den Feierlichkeiten immer auch Flyer, die den inhaltlichen Zusammenhang seiner Auftritte erklärten und ZuschauerInnen zum Nachdenken anregen sollten.
Die NFJ hat ihre Wurzeln in der deutschen Arbeiterbewegung. Sie wurde 1926 gegründet, um den Arbeitern der industrialisierten Städte einen Zugang zur Natur zu ermöglichen und gleichzeitig eine Diskussion über die eigenen Lebensverhältnisse anzustoßen.
„Die ArbeiterInnen sind schon damals nicht nur wandern gegangen, sondern haben auch gemeinsam über das Kapital diskutiert“, so Bea (21), die ebenfalls dem Vorstand der NFJ angehört. Naturerleben und Gesellschaftskritik waren von Beginn an miteinander verknüpft.
Umweltschutz ist zwar nicht der Schwerpunkt der NFJ, trotzdem bietet sie aber ganz ihrem Namen entsprechend auch naturnahe Projekte an: wie das Umwelt- und Begegnungszentrum Fuchsbau. Eine Freizeiteinrichtung in Berlin-Wuhlheide, die Kindern das Erleben der Natur auf Wanderungen, aber auch durch eine Umweltbibliothek und ein Wasserlabor ermöglicht.
Die Hauptarbeit der NFJ liegt allerdings in der politischen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft. Die 35 aktiven Mitglieder im Alter von 18 bis 34 sind in Arbeitskreisen (AK) organisiert, die zu Themen wie der europäischen Grenzpolitik, Antisemitismus in der DDR oder Feminismus arbeiten. Die Themenwahl der AKs ist nicht festgelegt und wird je nach Bedarf geändert. „Sobald sich ein paar Leute für ein Thema interessieren, können sie auch einen Arbeitskreis dazu gründen“, so Bea.
Neben einem halbjährlich wechselnden Seminarangebot und einem Sommercamp organisieren die NFJ auch Internationale Reisen zu befreundeten Gruppen in Kanada, Israel und Südafrika.
Die Reisen sind nicht nur als Urlaub gedacht, sondern dienen auch dem politischen Austausch. „Die NFJ war schon immer ein Freizeit- und Politikverband zugleich“, stellt Sarah fest. Schön wäre es, wenn Politik – frei von Macht- und Herrschaftsstreben – die Stellung eines Freizeitvergnügens einnehmen könnte.
ZOÉ SONA
■ Termin: „Möhrchen statt Deutschland“, am 30. März, um 19.30 Uhr im Tristeza (Berlin-Neukölln, Pannierstr. 5). Hier soll die Broschüre zur Pink-Rabbit-Kampagne vorgestellt und diskutiert werden.
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