Ein amerikanischer Eiertanz

ÄGYPTEN Die USA tun alles, um zwischen Muslimbrüdern und Militärs zu vermitteln. Sie fürchten sich sehr vor Instabilität, die sich negativ auf Israel und die Region auswirkt

Zwei Drittel der Militärhilfe gibt Kairo für Waffenkäufe und Zubehör in den USA aus

AUS WASHINGTON ANTJE PASSENHEIM

Erst wirkten die USA angesichts der Eskalation in Ägypten wie gelähmt. Nun eilten gleich drei Spitzendiplomaten nach Kairo, um die Wogen zu glätten. US-Vizeaußenminister William Burns, der zwischen den verfeindeten politischen Lagern in Ägypten vermittelt, bleibt jetzt sogar „unbefristet“ im Lande. Die konservativen Senatoren John McCain und Lindsay Graham sind seit Montag in Kairo.

„Das ägyptische Militär muss die Kontrolle schnellstmöglich an die Zivilbevölkerung, an zivile Organisationen abgeben“, sagte Graham. „Das Militär kann das Land nicht führen. Wir brauchen demokratische Wahlen. Die Muslimbrüderschaft muss weg von der Straße und zurück in die politische Arena.“

In ihrer Beurteilung der Lage in Ägypten scheint die US-Politik dennoch dialektisch unschlüssig. Das Wort „Putsch“ meidet die Regierung in Washington penibel. Zu groß ist die Angst vor der unweigerlichen Konsequenz: Stopp der US-Milliardenhilfe für Ägyptens Militär.

„Es war ein Putsch“, erklärte einzig der konservative Senator McCain in einer TV-Talkshow. „Zögernd denke ich allmählich, dass wir unsere Hilfe aussetzen sollten, bis es (in Ägypten; d.Red.) eine Verfassung und freie, faire Wahlen gibt.“ Senator Graham sagte jetzt in Kairo: „Ich will die Unterstützung am Laufen halten. Aber das muss mit dem Verständnis einhergehen, dass Ägypten sich Richtung Demokratie bewegt, nicht in Richtung Militärdiktatur.“

1,3 Milliarden Dollar fließen laut US-Kongress jährlich in die ägyptische Verteidigungskasse – angeblich gut verzinst angelegt bei der Federal Reserve Bank in New York. Seit dem 1979 geschlossenen Friedensplan zwischen Israel und Ägypten ist Kairo der zweitgrößte Empfänger von US-Auslandshilfe. Damit wäre Schluss, wenn die US-Regierung offen von einem Militärputsch sprechen würde. Ein Gesetz von 1961 verbietet die Hilfe an die Regierung jedes Landes, „dessen ordnungsgemäß gewählter Staatschef durch einen Militärputsch abgesetzt wird“.

Mohamed Elmenshawy vom Nahost-Institut in Washington meint, dass die USA es sich nicht vorstellen könnten, ihre Vorteile für demokratische Werte zu opfern. „Vor allem können sie nicht riskieren, in dieser instabilen Region den Rückhalt des ägyptischen Militärs zu verlieren.“ In Gefahr sei unter anderem die Vorfahrt für US-Kriegsschiffe im Suezkanal sowie die Überflugrechte für die US-Luftwaffe, von denen monatlich mindestens 100 erteilt würden.

Der Geldtransfer birgt einen weiteren Vorteil für die USA: Das Geld kommt wieder zurück. Zwei Drittel der Hilfe gibt Kairo nämlich für Waffenkäufe und Zubehör in den USA aus. Die Rüstungsfirma Lockhead Martin lieferte in den vergangenen zehn Jahren Kriegsgeräte im Wert von 3,8 Milliarden Dollar an das ägyptische Militär. Auch Panzer, Fregatten, Kampfjets und Apache-Hubschrauber sind dort „Made in USA“. Selbst wenn die Spender als Antwort auf die Gewalt in Kairo derzeit vier F16-Kampfjets zurückhalten.

Auch israelische Sicherheitsinteressen spielen nach Ansicht von Experten eine große Rolle. Die Stabilität Ägyptens sei enorm wichtig für den Nahen Osten, daher würden die USA alles tun, um sie herzustellen, erklärte Vermittler Graham: „Ohne Ägypten wäre Israel von zunehmend radikalen Staaten umzingelt“, so Graham.

Seit dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi haben sich die Aktivitäten militanter Islamisten und krimineller Banden im Sinai intensiviert. Es wird befürchtet, dass Ägypten seine Patrouillen verringern könnte, wenn es keine Militärhilfe mehr aus den USA gibt. Ein noch instabilerer Sinai könnte sich dauerhaft negativ auf die Sicherheit Israels auswirken.

Die Direktorin des Saban Center für Nahostpolitik, Tamara Cofman Wittes denkt anders. „Wenn du alles nur machst, um die Beziehungen zu retten, dann unterwandert es das, was du eigentlich erreichen willst“, sagte sie der New York Times.