: „Heute ist man schlauer“
WINDINDUSTRIE In manchen Fällen wurden die Anleger hinters Licht geführt, gibt die Präsidentin des Bundesverbands Windenergie zu. Aber das seien Ausnahmen
■ Jahrgang 1962, ist seit April dieses Jahres Präsidentin des Bundesverbandes Windenergie, der die Unternehmen der Branche und auch die Anleger vertritt.
INTERVIEW HANNES KOCH
taz: Frau Pilarsky-Grosch, von 175 deutschen Windparks erwirtschaftet nur die Hälfte Gewinn. Bei einem Drittel müssen die Geldgeber Verluste befürchten. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die der Vorsitzende des Anlegerbeirats Ihres Verbands vorgelegt hat. Ist Windkraft ein schlechtes Geschäft?
Sylvia Pilarsky-Grosch: Keineswegs. 175 Parks sind nur ein kleiner Ausschnitt. Diese Untersuchung ist nicht repräsentativ. Die Anzahl der Anleger, die gutes Geld verdienen, ist viel größer als die Zahl der Geschädigten. Aber natürlich gibt es Parks, deren Ergebnisse hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Die Untersuchung betrifft bis zu 10 Prozent der deutschen Windparks. Das ist eine ernst zu nehmende Stichprobe.
Nach unseren Zahlen sind es eher weniger als 5 Prozent. Von diesen Parks hat laut Untersuchung nur die Hälfte Probleme. Man soll die Schwierigkeiten nicht hochstilisieren, aber auch nicht kleinreden. Wenn die Ertragsgutachten in den Anfangsjahren häufig zu optimistisch ausfielen, dann stellt das keine Benachteiligung der Geldgeber dar, sondern eine Fehleinschätzung der gesamten Branche.
Oft überschätzten die Projektentwickler die Wind-Erträge und damit auch die Einnahmen der Parks. Wie konnte es dazu kommen?
Wie wir heute wissen, gab es zu Beginn der 1990er Jahre einige außergewöhnlich windreiche Jahre. Die wurden in den damaligen Rechenmodellen überproportional gewichtet. Deshalb glaubte man, Anlegern höhere Erträge versprechen zu können.
Die Projektentwickler stützten sich auf einen so kleinen Zeitraum, obwohl die Wetterbeobachtung seit hundert Jahren Daten liefert?
Bei den Windprognosen sind einfach Fehler gemacht worden. Das will ich nicht bestreiten. Außerdem kalkulierte man bestimmte Faktoren, die den Wind behindern, nicht ausreichend ein: Wälder, kleine Hügel, örtliche Turbulenzen. Heute ist man schlauer. Zweimal wurde der Windindex – die theoretische Basis für die Berechnung der Erträge – nach unten korrigiert. Mittlerweile ist es auch üblich geworden, praktische Windmessungen durchzuführen, bevor man Anlagen baut. Trotz aller Verbesserungen gibt es aber auch unter Projektierern Leute mit wenig Erfahrung und solche, die selbst viel Geld verdienen wollen.
Hat Ihr Verband den Fehler gemacht, die schwarzen Schafe zu lange gewähren zu lassen?
Was hätten wir tun sollen?
Früher ein klares Wort sprechen.
■ Damals: Windkraft ist ein sicheres Geschäft, bei dem man nichts falsch machen kann. Das dachten seit den 1990er Jahren viele Privatanleger – auch geködert durch die staatlich festgelegte Einspeiseprämie für Ökostrom.
■ Heute: Inzwischen sind manche Träume geplatzt. Reihenweise führen Anleger Prozesse gegen Windpark-Geschäftsführer, um Schadenersatz für Verluste durchzusetzen.
In unserer Zeitschrift Neue Energie haben wir immer wieder Vergleiche gebracht zwischen ertragreichen und weniger tragfähigen Windparks. Wir haben auch Namen genannt. Wer die Information bekommen wollte, konnte sie sich holen. Manche Projektierer sind deshalb aus dem BWE ausgetreten. Allerdings muss ich auch sagen: Zur Zeit der großen Gründungswelle bei Windparks Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre haben sich viele Investoren von der erhofften Steuerersparnis blenden lassen – ähnlich wie beim Kauf von Immobilien in Ostdeutschland. Die Leute sind mitunter leichtfertig ein unternehmerisches Risiko eingegangen. Windkraftanlagen sind etwas anderes als eine Lebensversicherung mit garantierter Verzinsung.
Gerichte haben Windparkbetreiber wegen falscher Angaben zu Schadenersatz verurteilt. Wurden die Anleger systematisch hinters Licht geführt?
In den Fällen, in denen Verurteilungen stattgefunden haben, war das offensichtlich so. In den Jahren der Euphorie um die Jahrtausendwende kamen kritikwürdige Geschäftspraktiken nicht selten vor. Aber in Bezug auf die etwa dreißigjährige Geschichte der kommerziellen Windkraft in Deutschland sind es Einzelfälle.
Ein zu Schadenersatz verurteilter Windpark-Geschäftsführer ist noch immer Vorstand eines Ihrer Regionalverbände.
Unser Verband ist demokratisch organisiert. Die Mitglieder in der jeweiligen Region treffen ihre eigenen Entscheidungen.