piwik no script img

Archiv-Artikel

Lidl besser, aber nicht gut genug

Der Billig-Discounter will faire Produkte anbieten. „Das reicht nicht“, sagen die Kritiker

„Die Herkunft der Waren hütet der Discounter Lidl als größtes Geheimnis“

KÖLN taz ■ Faire Produkte im Supermarkt – darüber denkt inzwischen auch der Discounter Lidl nach. Doch ausgerechnet Lidl-Kritiker und Fair-Handels-Initiativen können dem Vorhaben gar nichts abgewinnen. „Das ist zwar gut fürs Image, bringt den Produzenten aber gar nichts“, sagt Bettina Burkert von BanaFair.

Die Organisation setzt sich zwar dafür ein, dass mehr Bananen zu Preisen verkauft werden, von denen die Produzenten leben können. Wenn Lidl einige Bananen mit Fairhandels-Siegel ins Regal nehme, sei das aber nur „Kosmetik“.

Initiativen um das globalisierungskritische Netzwerk Attac protestieren seit vergangenem Jahr gegen Lidl. Um zu expandieren, setze der Billig-Discounter auf eine „aggressive Preispolitik“, so die Lidl-Kritiker. Betroffen seien Beschäftigte wie Produzenten. Zum Beispiel Milch: Derzeit nehme Lidl für den Liter 55 Cent. Damit die Bauern kostendeckend wirtschaften können, müsste die Milch eigentlich 10 Cent mehr kosten, sagt Sonja Korspeter von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Andernfalls sei die Existenz von Bauern in Deutschland gefährdet: „Im ländlichen Raum gehen Arbeit, Einkommen und Kulturlandschaft verloren“, erklärt die Vertreterin der Alternativ-Landwirtschaft.

Beim „Unternehmertag Lebensmittel“, der heute in Köln stattfindet, wollen die Aktivisten 10.000 Protestpostkarten an die Lidl-Geschäftsführung übergeben. Lidl sei aber nur ein Beispiel für die „Hauptsache billig“-Strategie der Discounter, die mittlerweile rund 40 Prozent des Marktes beherrschen, betonen die Aktivisten. Denn auch beim Lidl-Konkurrenten Aldi ist die Milch nicht teurer. Aber: „Lidl ist Trendsetter im Einzelhandel“, sagt Sarah Bormann von Weed, und habe „als starker Marktteilnehmer eine besondere Verantwortung“.

Die Kampagne „für soziale Rechte“, bei der Attac auch mit der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di zusammenarbeitet, soll deshalb fortgesetzt werden. Dass Lidl über faire Produkte verhandele, zeige, dass öffentlicher Druck wirke, so Attac. So habe sich Lidl-Manager Klaus Gehrig im Dezember 2005 mit Attac, BanaFair und AbL getroffen. Im Januar 2006 habe das Unternehmen dann erstmals einen Pressesprecher eingestellt. Allerdings sei der Lidl-Konzern mit seinen 600 GmbHs und Unter-GmbHs weiter ein „Rekordhalter in Sachen Intransparenz“, so Jutta Sundermann von Attac. Das erschwere die Bildung von Betriebsräten, bei den Waren mache die Intransparenz „bewusste Kaufentscheidungen“ unmöglich. Denn oft fehle bei der Kennzeichnung zum Beispiel das Herkunftsland. Stattdessen heiße es dann nur „Hergestellt für Lidl“. „Die Herkunft der Waren wird als größtes Geheimnis geizig gehütet“, kritisiert Sundermann. „So stellen wir uns moderne Unternehmen nicht vor“.

Die Globalisierungskritiker setzen darauf, dass die Verbraucher gerade in Zeiten von Lebensmittelskandalen wieder verstärkt wissen wollen, wo ihre Lebensmittel herkommen – und wie sie produziert wurden. Parolen wie „Geiz ist geil“ führten eben zu schlechten Produkten und Arbeitsbedingungen. Die Schlussfolgerung der Lidl-Kritiker: „Geist ist geiler“.

DIRK ECKERT