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Archiv-Artikel

Alte Männer in bunten Hosen

HOSIANNA Rentnerbeige war gestern. Heute zeigt auch die Generation 50 plus Mut zur Farbe. Modepüppchen wollen sie aber bloß nicht sein. Eine Fotosafari durch Berlin

VON DAVID DENK (TEXT) UND SONJA TRABANDT (FOTOS)

Schon klar: Die Überschrift grenzt an eine Frechheit. Alt ist heute ja erst, wer nicht mehr gegen diese Zuschreibung protestieren kann. Und von sabbernden Greisen sind die Herren auf dieser Seite in der Tat so weit entfernt wie ihr Beinkleid vom uniformen Rentnerbeige früherer Generationen. Der Dresscode hat sich in den letzten Jahren gewandelt: Wer schon obenrum grau wird, will es nicht untenrum noch schlimmer machen. Die bunten Hosen der an einem Augustnachmittag in den Berliner Stadtteilen Charlottenburg und Mitte fotografierten Herren dienen als eine Art Farbkorrektur, zeigen dem biologischen Alter den Stinkefinger und betonen das gefühlte. In Kombination mit den Accessoires Kind und Motorrad entfaltet sich ein neues Selbstverständnis der Männer Generation 50 plus.

Erlaubt ist heute, was gefällt – ohne dabei Angst vor Vorurteilen haben zu müssen: Als schwul gelten farbige Hosen, die Herrenausstatter mittlerweile auch mit elastischem Bund führen, jedenfalls längst nicht mehr. Bunt ist – zumindest was Hosen angeht – in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Auch andere Vorurteile erweisen sich bei der Suche nach Männern in bunten Hosen als überholt: dass sie sich von ihren Frauen einkleiden lassen etwa und dass Männer ungern über Klamotten sprechen. Das Gegenteil ist der Fall: Kaum ein Angesprochener verweigert das Gespräch, viele fühlen sich geschmeichelt, einige geraten richtig ins Plaudern. Nur am Vokabular hapert’s noch: Die vermeintlich einfache Frage nach der Farbe der eigenen Hose gerät wiederholt zur schweren Geburt: irgendwie blau, ja, aber auch nicht so richtig blau, eher so ein bisschen in Richtung türkis. Nee, türkis, ist es auch nicht, wie nennt man das dann? Die Frage bleibt unbeantwortet, bis es der Fotografin eine halbe Stunde später entfährt: Petrol, ja, Petrol, oder besser: Neonpetrol.

Wichtig ist den meisten Angesprochenen, ihren Mut zur Farbe als Selbstverständlichkeit darzustellen. Modepüppchen wollen sie nicht sein, sondern Männer, die ihren Individualismus leben, schon immer gelebt haben, bei der Kleidung und auch darüber hinaus. Alles andere wäre unmännlich. Trendopfer sind immer nur die anderen. „Da drüben, der mit der orangefarbenen Hose“, sagt einer mit Blick auf einen vorbeilaufenden Rentnertyp, „die hätte der vor zehn Jahren nicht getragen.“