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Archiv-Artikel

die wahrheit-woche der leichen im keller: mein peinlichster mord von CORINNA STEGEMANN

Ich lag im Schatten großer Bäume in der Hängematte, schlürfte Eistee und zerbrach mir angestrengt den Kopf darüber, wie es mir dieses Jahr endlich gelingen könnte, mich vor den Bundesjugendspielen zu drücken, diese entsetzliche schulische Leichtathletik-Zwangsveranstaltung. Eine Entschuldigung würde ich nicht bekommen, das war sicher.

Eine Wespe schnurrte heran und gedachte, an meinem Eistee zu nippen. Da dämmerte mir eine Idee: Ich würde mich von einer Wespe in den Fuß stechen lassen, denn mit einem Wespenstich im Fuß konnte man unmöglich einen Tausendmeterlauf oder Ähnliches machen.

Nun lassen sich Wespen nur schwerlich derart dressieren, dass sie auf Kommando in Füße stechen. Aber sie sind gierig und aufdringlich und daher leicht in einem Glas mit süßer Cola zu fangen und in ein Zimmer mit Fliegengitter und verschlossenen Türen zu bringen.

All dies war bald gedacht und bälder noch getan. In besagtem Zimmer entließ ich mein Opfer zunächst wieder aus dem Glas und dachte über die nächsten Schritte nach. Die Wespe brummte am fliegenvergitterten Fenster hoch und runter. Selbst wenn ich einen Fuß so hoch bekommen hätte, wäre es beschwerlich gewesen, das flinke Insekt zu erwischen. Ich musste es mit einem leichten Hieb ein klitzekleines bisschen betäuben, sodass es zu Boden fiel, dann würde ich leicht, ganz leicht darauftreten, es würde zustechen und schon wäre es für uns beide vorbei. So hatte ich mir das gedacht.

Also versetzte ich der Wespe einen leichten Hieb mit einer Zeitschrift. Sie taumelte etwas, brummte aber weiterhin am Gitter herum. Ich schlug etwas fester zu, und sie fiel tatsächlich auf den Boden. Fast war es mir, als würde sie mich mit großen, verstörten Facettenaugen fragend ansehen. Aber für Sentimentalitäten war keine Zeit, denn Arthur – so hatte ich die Wespe mittlerweile genannt – begann schon wieder, sich aufzurappeln. Mein Fuß schwebte über Arthur, aber ich bekam ihn einfach nicht runter, ich war zu feige. Wieder und wieder senkte ich die Quante ein Stück – nur um sie sofort ruckartig wieder hoch zu ziehen. Und schon hatte Arthur sich wieder erholt und brummte zurück zum Fliegengitter. Ich brauchte mehr Zeit, um mich zu überwinden, ich musste Arthur etwas stärker betäuben. Also schlug ich abermals zu – abermals etwas stärker. Arthur, sichtlich geschwächt, taumelte wieder zu Boden, zuckte noch ein paar Mal, dann krümmte er sich zu einem U zusammen und war tot.

Wie er da so lag, sah er so klein und hilflos aus – und das war er ja auch gewesen. Tränen der Reue schossen mir in die Augen, ich hatte getötet! Einen sinnlosen Mord begangen! Arthur hatte mir gar nichts getan – leider. Ich brachte ihn schluchzend ins Freie und bettete ihn im Blumenbeet unter Blütenblätter.

Seit diesem Tag plagt mich eine schreckliche Wespenphobie. Ich werde hysterisch, wenn sich mir eine Wespe auch nur auf 50 Zentimeter nähert. Vielleicht ängstige ich mich unbewusst davor, dass ganz sicher eines Tages Arthurs Nachfahren kommen werden, um das grausame Verbrechen an ihrem Ahnen auf ebenso grausame Weise zu rächen. Und dann gnade mir Gott.