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Archiv-Artikel

Sein Leben in Bildern

AUSSTELLUNG Das Wilhelm-Busch-Museum in Hannover zeigt Zeichnungen von Ronald Searle, der als Cartoonist, Karikaturist und Reportage-Zeichner bekannt ist und gerade seinen 90. Geburtstag feierte

Da hat man gerade angefangen zu zeichnen und schon ist man 90 Jahre alt. „What? Already?!“ heißt deshalb eine Ausstellung mit Werken des britischen Zeichners Ronald Searle – zu sehen im Wilhelm-Busch-Museum in Hannover. Das Museum und Searle verbindet eine langjährige Freundschaft. Die Schau zeigt rund 180 Zeichnungen und Skizzenbücher.

Der Besucher erlebt in jedem Raum einen anderen Searle. Den Cartoonisten zum Beispiel: Wie hingehaucht ist die „Naturliebhaberin“, die des Weges kommt, an einer duftenden Blume riecht und davon tänzelt. So viel selbstgerechte Naturverbundenheit ist der zarten Pflanze dann doch zu viel. Verblüht lässt sie das Köpfchen hängen. Oder: die gebrechliche Alte, die sich über acht Bild-Motive durch ihre Wohnung quält, um ihrem Hund Feuer für die Zigarette zu organisieren. Die Gebrechliche müht sich – der fette Köter thront dekadent im Körbchen. Und: „How to kill a man – in six affords“. Einen Mann töten? Das geht zum Beispiel durch Unterernährung oder klassisch – durch Gift.

Ronald Searle ist witzig, skurril, immer mit einem Augenzwinkern, gemein, aber nie vernichtend. Kaum zu glauben, dass sein Menschenbild auf einer existentiellen Erfahrung fußt: auf seiner japanischen Kriegsgefangenschaft im Dschungel des heutigen Thailand. Dort musste er die Siam-Burma-Bahn mitbauen – die berüchtigte „Brücke am Kwai“.

Mit menschlichen Abgründen kannte sich Searle aus, als er 1961 den Prozess gegen den Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann beobachtete. Als Reportage-Zeichner war er für das Magazin Life nach Jerusalem gereist. In der Ausstellung ist sein Skizzenbuch zu sehen. Viele kennen die Zeichnungen, die tiefer gehen und mehr verraten über menschliches Wesen und Abgründe, als manches Foto. Nur wenige wissen, dass Searle sie gezeichnet hat.

Als zeichnender Reporter ist Searle durch die Welt gereist – auch nach Deutschland. In Hannover war er im Café Kröpcke. Im Museum steht ein älterer Herr vor der Skizze, die der Zeichner damals festgehalten hat: „Searle karikiert die Deutschen im negativen, aber nicht im hässlichen Sinne“, sagt der Betrachter.

Die Leser von Le Monde kennen Searle als politischen Karikaturisten. „Es hat sich nichts geändert“ ist der Titel einer Tuschezeichnung. Sie zeigt einen knienden amerikanischen Soldaten in Wüstenuniform – ein katholischer Geistlicher segnet ihn. Und bei „Der Abfallbehälter“ schnippt ein feister US-Amerikaner mit Cowboyhut die Asche seiner Zigarre in einen als Weltkugel stilisierten Aschenbecher.

„Er hat ein unglaublich scharfes Auge, Menschen aber auch eine Szene in einer Stadt zu erfassen und wiederzugeben“, sagt Gisela Vetter-Liebenow, die stellvertretende Direktorin des Wilhelm-Busch-Museums. Regelmäßig besucht sie den Künstler in seinem Domizil in Frankreich. Einen großen Schwung an Grafiken und Dokumenten hat sie kürzlich nach Hannover transportiert. Ronald Searle hat dem hannoverschen Museum 41 Kisten mit mehr als 2.000 Skizzen und Zeichnungen überlassen – Stoff für viele weitere Ausstellungen. LUKAS SANDER

bis 30. 1. 2011