„Kunst kann man nur machen, wenn man Position bezieht“

Der Maler und UdK-Professor Bernd Koberling erhält heute den Fred-Thieler-Preis der Berlinischen Galerie für seine Landschaftsbilder

taz: Herr Koberling, Sie verbringen mehrere Monate im Jahr auf Island. Dort malen Sie ausschließlich Aquarelle. In Ihrem Berliner Atelier entstehen dagegen großformatige Gemälde mit Acrylfarbe. Wie sehr trennen Sie Ihre beiden Lebensbereiche?

Bernd Koberling: Das Malen mit Aquarellfarben in einem einsamen isländischen Tal wie Lodmundarfjördur ist eine andere Arbeitssituation als in meinem Atelier in Kreuzberg. Meine Acrylbilder mögen eine dem Aquarell ähnliche Leichtigkeit ausstrahlen, aber sie erfordern eine konzeptionelle Planung und viele Überarbeitungen. Wegen dieses Unterschieds zeigt die Ausstellung in der Berlinischen Galerie die Aquarelle und die Gemälde in zwei getrennten Räumen.

Den Rest des Jahres leben Sie in Berlin. Hat Sie die Beschäftigung mit der märkischen Landschaft nie gereizt?

Ich finde das märkische Land durchaus reizvoll. Als Westberliner war es für mich früher nicht zu erreichen. Heute gehe ich im Herbst in der Uckermark Pilze sammeln. Aber für die Utopie des Raums, die für meine Kunst wichtig ist, finde ich auf Island eine adäquatere Dimension. Seit über 30 Jahren lebe ich auf Island, malend, zeichnend und Fische fangend. Diese Natur fasziniert mich: Sie ist in ihren Ausprägungen extremer und bietet ganz andere Erfahrungsräume als die märkische Heide.

Der Fred-Thieler-Preis wird Ihnen heute für Ihre Annäherung an das Landschaftsbild verliehen – aber verstehen Sie sich überhaupt als Landschaftsmaler?

Die beschreibende Abbildung von Wirklichkeit ist etwas, wovon ich mich gelöst habe. Deshalb bin ich schon seit längerer Zeit kein Landschaftsmaler im engeren Sinn mehr. Ich schöpfe aus der Natur, aber übersetze das Gesehene und Erlebte in meine eigene Formensprache.

Der Fred-Thieler-Preis wird KünstlerInnen verliehen, deren künstlerisches Werk unabhängig vom Marktgeschehen den eigenen „Positionszeichen“ folgt. Wie wichtig ist es für Sie, Position zu beziehen?

Man kann Kunst über einen langen Zeitraum nur machen, wenn man Position bezieht und diese Position immer wieder ändert. Das ist nötig, um mit unverminderter Konsequenz zu arbeiten. Nur wenn man immer wieder Neuland betritt und experimentiert, bleibt man stimuliert. Wer auf einer einmal erreichten Position stehen bleibt, ohne sich zu bewegen, erstarrt.

Und welche Rolle spielt der Markt?

Der Markt ist immer da. Aber als Künstler kann man ihm nicht hinterherlaufen. In den 60er- und den 70er-Jahren war der Markt für Kunst in Berlin schwierig, das änderte sich in den 80er-Jahren wieder. Ein künstlerisches Leben ist ein langer Weg. Wenn man einen Berg besteigt, geht es auf der anderen Seite ins Tal und, falls Energie vorhanden, wieder zum nächsten Gipfel.

Was verbindet Sie mit Fred Thieler?

Gemeinsam stehen wir in der Tradition der gestischen Malerei, gelöst von illustrativen Vorgaben. Der Prozess des Malens wird zum prägenden Thema, um Farbe und Form ihren autonomen Ausdruck zu verleihen. Gesehen habe ich Thieler an der Hochschule der Künste, wo er seit 1959 lehrte. Als Student hatte ich nur sporadischen Kontakt mit ihm. Persönlich lernte ich ihn erst kennen, als ich in den 70er-Jahren aus Köln zurück nach Berlin kam. Jedes Mal, wenn wir mit Freunden in meinem Atelier zusammensaßen, sagte er in seiner prägnanten, langsamen Diktion: „Es ist erstaunlich, dass Sie als junger Maler so viel Grün verwenden. Ich dachte immer, Grün sei die Farbe des Alterswerkes.“

Man könnte sagen, dass Ihre Bilder mit der Zeit immer leerer werden. Ist es ein Ausdruck künstlerischer Reife, keine Angst vor der Leere auf der Leinwand zu haben?

Angst vor der Leere hatte ich nie. Aber tatsächlich interessiert mich die Spannung, die durch Zwischenräume entsteht, heute mehr als früher. Im Laufe der Lebens- und Arbeitszeit arbeitet man falsche Energien ab. Den eigenen Vorstellungen kommt man durch Reduktion schließlich immer näher.

Seit 1988 sind Sie Dozent an der Universität der Künste. In zwei Jahren fallen Ihr 70. Geburtstag und Ihr 20-jähriges „Dienstjubiläum“ als UdK-Professor zusammen. Werden Sie so lange unterrichten?

Ich bin bereits seit meinem 65. Geburtstag dabei, den Lehrbetrieb langsam auslaufen zu lassen. Ich begleite meine letzte Klasse noch bis zu den Prüfungen, aber im Wintersemester 2007 ist endgültig Schluss. Mit meiner Familie werde ich weiter in Berlin leben. Aber wenn die Hochschultermine wegfallen, werde ich noch öfter mehrere Monate in Island verbringen können. Das brauche ich. Dort fühle ich mich dem Universum am nächsten.

INTERVIEW: NINA APIN