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Archiv-Artikel

Streit über die Armutsbekämpfung

Die EU-Mitglieder einigen sich auf fünf Ziele für eine bessere Wirtschaftsentwicklung in den kommenden zehn Jahren

„EU ist soziale Marktwirtschaft mit ökologischem Korrektiv“

RATSPRÄSIDENT HERMAN VAN ROMPUY

BRÜSSEL taz | Die EU-Staaten haben sich gestern beim EU-Gipfel auf fünf Ziele geeinigt, die als entscheidend für die Wirtschaftsentwicklung der EU in den kommenden zehn Jahren angesehen werden: Die Beschäftigungsquote, die für Forschung und Entwicklung aufgewandten Haushaltsmittel, die Quoten für Erneuerbare Energien und Reduktion der Treibhausgase, das Ausbildungsniveau und die Armutsbekämpfung. Auf Betreiben der Bundesregierung soll das Ausbildungsziel erst beim Juni-Gipfel der EU quantifiziert werden. Gleiches gilt für Kriterien zur Armutsreduzierung.

„Beim Stichwort Armut müssen geeignete Indikatoren gefunden werden, die sich nicht in nationale Anstrengungen einmischen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel. Für Sozialpolitik seien nur die Mitgliedstaaten zuständig. Dem widersprach Ratspräsident Herman Van Rompuy. Das Selbstverständnis der EU umfasse ökologische und soziale Ziele ebenso wie positive Wirtschaftsdaten. „Die EU ist eine soziale Marktwirtschaft mit starkem ökologischem Korrektiv.“

Kommissionspräsident Manuel Barroso betonte, dass der neue EU-Vertrag die Armutsbekämpfung nicht allein den Mitgliedstaaten überlasse: „Der Lissabon-Vertrag enthält ein ganzes Kapitel zum Thema Sozialkompetenzen. Artikel 151 nennt als eines der wichtigsten Ziele der Union die Bekämpfung sozialer Ausgrenzung. Es gibt also sehr wohl eine Zuständigkeit der Union in diesem Bereich.“

In der Arbeitsmarktpolitik unterstützen die Mitgliedsländer das von der EU-Kommission vorgeschlagene Ziel, dass mindestens 75 Prozent der 20- bis 64-jährigen Frauen und Männer einer bezahlten Tätigkeit nachgehen sollen. Das soll durch die bessere Einbeziehung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern, unqualifizierten Arbeitern und Einwanderern geschehen. Für Forschung und Entwicklung sollen die EU-Länder mindestens 3 Prozent des BIP aufbringen. Beim Klimaschutz bleibt es beim bekannten Ziel von 20 Prozent für Energieeffizienz, Erneuerbare Energien und Treibhausgase. Die Möglichkeit, die Treibhausgase im Fall eines internationalen Abkommens um 30 Prozent zu reduzieren, wird erwähnt.

Das von der EU-Kommission vorgeschlagene Bildungsziel, dass 40 Prozent eines Jahrgangs einen Universitätsabschluss erreichen sollen, wurde ebenfalls auf deutschen Wunsch gestrichen. „Bei den Bildungszielen gibt es noch Diskussionsbedarf“, sagte Angela Merkel, die Streit mit den Kultusministern der Bundesländer fürchtet.

Da die Länder die Bildungspolitik in Deutschland bestimmen, kann sich die Bundesregierung ohne deren Einverständnis nicht auf Zielwerte verpflichten lassen.

Beim EU-Gipfel im Juni soll dieser Punkt erneut auf die Tagesordnung. Auch für die Armutsbekämpfung sollen bis dahin Kriterien vorliegen, mit denen alle EU-Länder leben können. In den anderen drei Politikbereichen sollen die EU-Staaten bis dahin nationale Aktionspläne vorlegen. DANIELA WEINGÄRTNER