Parkraum für Masse Mensch

STADTNATUR Beim Tiergartendialog erläutert man das „Parkpflegewerk“ für die zentrale Grünanlage in der Stadt. Mehr Pflege wäre gut, mehr Geld würde man brauchen – das zentrale Thema Eventmeile aber bleibt ausgespart

Natürlich darf auch eine Tiergarten-App für das Smartphone nicht mehr fehlen

VON RONALD BERG

Wer derzeit den Großen Tiergarten besucht, erlebt es wieder: eine Festmeile mitten im Park mit Riesenrad, Bierbuden und unzähligen Dixi-Klos. Diesmal ist es die SPD, die am Wochenende mit ihrer Feier zum 150-Jährigen dem Gartendenkmal, dem wichtigen Naturraum und auch ansonsten bereits viel genutzten Erholungsgebiet mit Musikbeschallung und der Masse Mensch schwer zusetzt. Die Parkpartien nahe dem Brandenburger Tor sind inzwischen mit Trampelpfaden, am Rande der Straße des 17. Juni sogar mit regelrechten Schneisen durchzogen.

Die Veranstaltungen auf der Fest- und Eventmeile sind das größte Problem des Tiergartens. Doch auf dem Tiergartendialog am Mittwoch in der Akademie der Künste war davon keine Rede. Dabei sollte es auf Einladung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt bei dieser schon zum vierten Mal stattfindenden Veranstaltung um eine Erläuterung des neu zu überarbeitenden „Parkpflegewerks“ für die Grünanlage gehen.

Die Stadtentwicklungsverwaltung hat sich seit 2011 offenbar viele Gedanken über den Tiergarten gemacht und Gutachten anfertigen lassen, um ein „strategisches Rahmenkonzept“ zu entwickeln: Was soll, was kann der Tiergarten für die „Stadt und ihre Gäste“ leisten? Um Beteiligung an konkreten Planungen aber geht es bei den Dialogen ausdrücklich nicht.

Viele Aspekte, ein Hut

Grundsätzliches wie etwa der permanente Missbrauch des Parks für Massenevents wird auch von der Verwaltung gar nicht in Frage gestellt, weil die Vorgaben von der Politik kommen. Und so versucht die Senatsverwaltung die ohnehin schon divergierenden Aspekte von Erholung, Denkmalschutz und Naturbelangen mit der Vereinnahmung des Tiergartens als zentrale Festmeile unter einen Hut zu bekommen.

Vorgetragen wurden die Ideen der professionellen Planer auch an diesem Mittwoch in allerlei Powerpoint-Präsentationen und mit dem üblichen Verwaltungsdeutsch. Reiner Nagel, Initiator der Tiergartendialoge und inzwischen von der Stadtentwicklungsverwaltung in die Stiftung Baukultur gewechselt, sah jedenfalls Handlungsbedarf beim Tiergarten. „Dominante Bezüge“ etwa zum Zoo oder dem Kulturforum will er stärken. Nicht thematisiert jedoch wurde, ob der Tiergarten eine weitere Inanspruchnahme und vermehrte Nutzung überhaupt verträgt.

Konkretes und Aktuelles wie die im Raum stehende Einzäunung von Teilen des Tiergartens für die Belange der Festmeile wurde ohnehin bei allen Vortragenden ausgeklammert. Mit Nachfragen aus dem Publikum hatte RBB-Moderator Hellmuth Henneberg auch dabei keine Probleme. Der Großteil der Besucher war an diesem Nachmittag offenbar aus den zuständigen Berliner Senats- und Bezirksverwaltungen in die Akademie der Künste gekommen und kannte die Meinung der Kollegen.

Was die Verwaltung demnächst mit ihrem neuen Parkpflegewerk beim Tiergarten zum Besseren wenden will, ist kaum mehr als Kosmetik. So soll es bis Ende des Jahres ein neues Leitsystem geben. Der alte Schilderwald wird durch ein einheitliches Design ersetzt. Und natürlich darf auch eine Tiergarten-App für das Smartphone mittlerweile nicht mehr fehlen.

Für die Pflege, etwa das Pflanzen von Blumen oder das Auslichten von Gehölzen, gibt es dagegen schon heute nicht genug Gärtner, und in Zukunft werden es noch weniger sein. Der Ruf von Klaus Lingenauber von Landesdenkmalamt nach „Pflege, Pflege, Pflege“ als dem A und O beim Umgang mit dem Park verwies auf die eigentliche Misere. Berlin gibt für die Pflege des Tiergartens zu wenig Geld aus.

Eine andere Pflegestufe

Das konnte Carsten Spallek, zuständiger Bezirksstadtrat in Berlin-Mitte, sogar beziffern. 50.000 Euro hat er im Jahr für die Pflege des Tiergartens zur Verfügung. Genauso viel bekommt die Wuhlheide. Gemessen an der Bedeutung des Tiergartens als eines der prominentesten Gartendenkmale in Deutschland ist das lächerlich wenig. Die Experten auf dem Podium und im Publikum waren sich einig, dass es mindestens 2 bis 4 Millionen Euro sein müssten. Doch ist man in der Senatsverwaltung offenbar nicht in der Lage oder willens, den Tiergarten dementsprechend bei der Pflegestufe einzusortieren. Stattdessen werden große Pläne gemacht, die in der Praxis, beim zuständigen Grünflächenamt des Bezirks, aus Mangel an Personal und Geldmitteln nicht umgesetzt werden können.

Da ist die Idee eines verantwortlichen Tiergartendirektors, die Berlins ehemaliger Gartenbaudirektor Klaus von Krosigk erneut ins Feld führte, keine substanzielle Lösung, sondern eine Personalisierung des Problems, wie Spallek auf den Vorschlag erwiderte.

Fazit des Moderators am Schluss: „Wenn Sie unzufrieden sind, dann ist das vielleicht das Beste, was passieren kann.“