: „Söhne verstehen, dass Kampf ihre Pflicht ist“
Die designierte palästinensische Frauenministerin Miriam Saleh über Selbstmordattentate und das Gute der Polygamie
taz: Sie starten eine neue Karriere. Welche Ziele stecken Sie sich für die nächsten vier Jahre?
Miriam Saleh: Ich war Universitätsprofessorin und damit sehr zufrieden. Was jetzt auf mich zukommt, wird schwieriger sein als meine bisherige Aufgabe. Das palästinensische Volk lebt in einer tiefen Misere. Wir müssen Armut und Arbeitslosigkeit bekämpfen, und wir wollen den Konflikt beenden.
Warum haben Sie sich der Hamas angeschlossen?
Ich bin nicht Mitglied der Hamas. Die Hamas erlaubt Frauen keine Mitgliedschaft.
Warum nicht?
Es gibt ein Komitee islamischer Frauen, das der Hamas angegliedert ist, aber wir sind keine Mitglieder, und zwar aus strikten Sicherheitsgründen. Denn die Mitglieder laufen Gefahr, von der Besatzungsarmee verhaftet oder exekutiert zu werden. Ich bin Scharia-Expertin und wurde Mitglied der Partei Veränderung und Reform. Die Hamas hat mich auf die Liste der Kandidaten gesetzt.
Hätten Sie auch auf einer anderen Liste kandidiert?
Die Hamas repräsentiert meine Vorstellungen. Was uns besonders macht, ist, dass wir die palästinensischen Werte und Ziele verfolgen, allen voran das Rückkehrrecht für die Flüchtlinge, das Ende der Besatzung, Veränderung und Reform. Die Korruption, die sowohl Folge der Besatzung sein kann als auch Ergebnis von einseitigen Entscheidungen der früheren Regierung, muss ein Ende haben.
Die Hamas verfolgte bislang den Weg der Gewalt und des Märtyrertodes, um die Besatzung zu beenden. Wie stehen Sie dazu?
Jeder Mensch hat die Pflicht, um seine Freiheit zu kämpfen, wenn er unterdrückt wird. Das ist in unserer Religion, im Islam, so. Das ist nichts Schlechtes. Jedes Land wird seine Söhne in den Kampf zur Verteidigung schicken, wenn es besetzt ist. Ich lehre meine Kinder, ihr Heimatland zu lieben. Auch wenn die Mütter die Kinder nicht unmittelbar zum Märtyrertod anhalten, dann verstehen die Söhne doch, dass der Kampf ihre Pflicht ist.
Würden Sie Ihren eigenen Sohn motivieren, sich für sein Land zu opfern?
Es gibt keine Mutter, die sich wünscht, ein Kind zu verlieren. Lieber würde sie sich selbst opfern.
Die USA und die EU stellen Bedingungen für eine Fortzahlung der Aufbauhilfe, den Gewaltverzicht und die Anerkennung Israels. Wie stehen die Chancen, dass Ihre Regierung diese Bedingungen akzeptiert?
Wir fragen die internationale Gemeinschaft: Warum stellt ihr keine Bedingungen an Israel, uns anzuerkennen. (Expräsident Jassir) Arafat und (Palästinenserpräsident Mahmud) Abbas haben Israel längst anerkannt, umgekehrt aber erkennt Israel nicht die Palästinenser und ihre Rechte an, wie das Rückkehrrecht der Flüchtlinge.
Sie sind also nicht bereit, die Bedingungen zu akzeptieren?
Sobald Israel Palästina in den Grenzen von 1967 anerkennt, die Siedlungen auflöst und den Mauerbau einstellt, können wir über Schritte in Richtung Frieden nachdenken. Viele der Flüchtlinge können heute ihre alten Dörfer noch nicht einmal besuchen, obwohl sie nur wenige Kilometer entfernt sind.
Wie steht es mit Ihrer internen Agenda. Werden Sie versuchen, die Kleiderordnung für Frauen zu ändern?
Wir machen Vorschläge. Jedem bleibt selbst überlassen, dem zuzustimmen oder nicht. Wir werden niemanden zum Kopftuch zwingen. Das Problem ist, dass wir noch immer unter Besatzung leben. Es geht jetzt nicht um den Aufbau eines islamischen Staates, sondern um unsere Unabhängigkeit. Anschließend können wir unsere Agenda neu überdenken.
Trotzdem gibt es Themen, die schon jetzt abgehandelt werden, wie die Ehegesetze, das Heiratsalter und Polygamie.
Im Islam ist es für ein Mädchen möglich, schon im Alter von 16 Jahren zu heiraten. Sie muss nicht, aber sie kann. Manche Politikerinnen wollen das Alter hochsetzen. Solche Gesetze gibt es nicht einmal in westlichen Ländern. Auch die Polygamie ist möglich, aber nicht obligatorisch. Manchmal ist eine Frau unfruchtbar oder kann die Bedürfnisse ihres Mannes nicht befriedigen. In diesem Fall kann der Mann mehr als eine Frau haben. Das ist gut, weil es die Frauen schützt, denn der Mann würde sonst fremdgehen. In westlichen Ländern kann ein Mann zehn Frauen haben, mit denen er nicht verheiratet ist. Wer schützt hier die Rechte der Frauen?
Was werden Sie tun, wenn die internationale Gemeinschaft die Zahlungen einstellt?
Die arabischen und islamischen Länder haben uns, Gott sei Dank, finanzielle Unterstützung zugesagt. INTERVIEW: SUSANNE KNAUL