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Archiv-Artikel

Nach 26 Jahren wieder Berufsanfängerin

UMBAU Die Caritas will in Berlin künftig auf Leiharbeit verzichten. Für Krankenschwester Ina Reinwein heißt das: Festanstellung mit miesem Verdienst

BERLIN taz | Leiharbeit und niedrige Löhne – um das Image der kirchlichen Wohlfahrtsverbände steht es nicht zum Besten. Doch damit soll zumindest bei der katholischen Caritas in der Region Berlin, Brandenburg, Vorpommern Schluss sein: Ab dem 1. Oktober will man dort auf Leiharbeit verzichten.

Reibungslos funktioniert der Umbau allerdings nicht. Das sieht man an Ina Reinwein. Die 52-jährige, ausgebildete Krankenschwester ist seit Ende 2010 als Leiharbeiterin bei der pro cura Service GmbH angestellt, einer 100-prozentiger Tochterfirma der Caritas. Für ihre 20-Stunden-Woche in der ambulanten Krankenpflege in Berlin bekommt Reinwein monatlich rund 950 Euro netto. Nun soll sie direkt bei der Caritas beschäftigt werden – allerdings eingestuft als Berufsanfängerin. So, als hätte sie nicht bereits über 25 Jahre als Krankenschwester gearbeitet.

„Ich verliere dadurch im Monat rund 350 Euro, die mir bei einer korrekten Einstufung in die Vertragswerke der Caritas eigentlich zustehen würden, zudem über die Jahre höhere Rentenansprüche. Wie kann es sein, dass mein Lohn nach der Abschaffung der Leiharbeit fast genau so schlecht ist wie vorher?“, fragt sich Reinwein.

Beim Caritasverband für das Erzbistum Berlin gibt Öffentlichkeitsreferentin Barbara Schwemmer zu, die Lösung sei nicht die beste. „Aber anders hätten wir es nicht finanzieren können.“

Laut Schwemmer kostet die Übernahme von rund 650 Leiharbeitern in Berlin, Brandenburg und Vorpommern die Caritas in einer ersten Stufe rund 800.000 Euro pro Jahr mehr. Die neuen Caritasmitarbeiter würden, was den Lohn angeht, als Berufsanfänger eingestuft. Nicht aber, was die Kündigungsschutzfristen und Urlaubsansprüche beträfe.

Sie bekämen zudem feste Verträge und Anspruch auf die betriebliche Altersvorsorge der Kirche, betont Schwemmer.

Meike Jäger, Ver.di-Expertin für Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen in Berlin-Brandenburg, begrüßt, dass die Caritas aus der Leiharbeit aussteigt. „Aber die Benachteiligung der LeiharbeiterInnen wird nicht aufgehoben.“

Die Gewerkschaft hat den pro-cura-Beschäftigten empfohlen, die richtige Eingruppierung einzuklagen. Reinwein weiß noch nicht, ob sie das tun wird. Den neuen Arbeitsvertrag hat sie unterschrieben. „Mir blieb nichts anderes übrig, ich wollte ja meine Stelle behalten.“ EVA VÖLPEL