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Archiv-Artikel

Kochs Wahlkampf-Recycling

Dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch drohen bei der anstehenden Kommunalwahlen Verluste. Darum setzt er auf ein bewährtes Rezept

AUS FRANKFURT KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

„Wahlkampfgetöse!“ So reagierten die Grünen im Hessischen Landtag auf den vom hessischen Innenminister Volker Bouffier (CDU) in der vergangenen Woche vorgelegten Entwurf eines Fragebogens für einbürgerungswillige Ausländer gleich nach dessen Vorstellung. Die gleiche Wortwahl benutzte auch der sozialdemokratische Innenminister von Schleswig-Holstein, Ralf Stegner. Er jedenfalls werde seine Hand im Bundesrat für einen solchen Test, den die Bündnisgrünen in Hessen auf ihrem Parteitag am Sonnabend als „Hessenquiz“ bezeichneten, nicht heben. Auch der rheinland-pfälzische Innenminister und Landtagswahlkämpfer Karl-Peter Bruch (SPD) lehnt einen Test à la Bouffier ab. Dieser sei nicht geeignet, den Integrationswillen des Einbürgerungswilligen festzustellen. Bruch forderte stattdessen die Einführung von bundesweiten Integrationskursen.

Damit scheint Bouffiers Vorstellung von einer gemeinsamen Bundesratsinitiative für ein umfassendes Einbürgerungsgesetz der Unions- und SPD-geführten Länder obsolet geworden zu sein – trotz der Begeisterung von Kanzlerin Angela Merkel für den Fragebogen. Und von einer sich anschließenden Verabschiedung des Entwurfs „mit satter Mehrheit“ (Bouffier) auch im Bundstag, kann keine Rede mehr sein. Was in der Debatte bislang allerdings unterging: Bouffier selbst erachtet seinen Fragebogen lediglich als „Diskussionsgrundlage“. Bis zur Innenministerkonferenz im Mai bleibe allen Kritikern noch Zeit, Änderungswünsche anzumelden und Verbesserungsvorschläge zu machen. Überhaupt sei der Test nur ein Bestandteil eines zukünftigen Einbürgerungsgesetzes. Wichtiger sei der Erwerb von guten Deutschkenntnissen, die Eidesleistung auf die Verfassung beim Einbürgerungsakt, der Besuch von Integrationskursen und die Regelanfrage beim Verfassungsschutz.

Ist der Fragebogen also wirklich nur „Getöse“ vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt und den Kommunalwahlen in Hessen am kommenden Sonntag? Alles deutet darauf hin. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) jedenfalls, dem von den Demoskopen gerade ein Verlust von rund zwei Prozentpunkten bei den Kommunalwahlen prognostiziert wurde, tönte gleich nach der Veröffentlichung der Prognose, dass Hessen den Test „notfalls im Alleingang“ durchführen werde. Man werde ganz bestimmt „nicht warten, bis die Sozialdemokarten zur Vernunft gekommen sind“. So versucht er sich im Recycling seiner alten Polarisierungsstrategie. Mit der wartete Koch schon früher vor Wahlen auf und erzielte anschließend überraschende Erfolge (siehe Artikel unten). Aktuell auf dem Spielplan: Auf der einen Seite und mit Koch an der Spitze die „Good Guys“, die sich dafür einsetzen, dass nur deutscher Staatsbürger werden kann, „wer die zentralen Werte dieses Landes akzeptiert“ (Bouffier). Auf der anderen Seite die „Bad Guys“ von SPD und Grünen, denen diese Werte offenbar nichts wert zu sein scheinen. Und die „die Zeichen der Zeit nicht erkannt“ hätten, so Bouffier.

Ob diese durchsichtige Strategie allerdings vor den Wahlen noch hilft, darf bezweifelt werden. Dass es dem Erfinder des Fragebogens allerdings tatsächlich um die Formulierung dessen ging, was aktuell und allgemein unter dem Begriff „deutsche Leitkultur“ subsummiert werden soll, bestreitet Bouffier gar nicht. Dass zudem viele Deutsche, von denen nach einer Erhebung ohnehin nur 10 Prozent die Nachrichten der „Tagesschau“ vollständig geistig verarbeiten können, die Antworten auf diese Fragen nicht wissen, sollte aber selbst Koch, Bouffier und anderen Leitkulturfanatikern aus der Union zu denken geben. Eine Frage konnte selbst Koch nicht beantworten. Nein, es war nicht die Frage danach, ob eine Frau allein nach draußen oder sogar allein auf Reisen gehen dürfe.

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