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Archiv-Artikel

Libretto aus der Steinzeit

Sie heiratete Paul Éluard, war Geliebte von Max Ernst und machte sich als Muse von Dalí unsterblich. In Köln fand die Uraufführung von „Gala Gala“ deshalb nicht an der Oper, sondern im Museum statt

AUS KÖLNREGINE MÜLLER

An der Kölner Oper setzt man weiterhin unverdrossen auf den Promi-Bonus. Will sagen, die Leitung des Hauses glaubt, dass ein medial geläufiger Name schon richten wird, was die hoch subventionierte Institution aus sich selbst heraus in puncto öffentliche Wahrnehmung nicht mehr zu schaffen glaubt. Dieses Konzept ging unlängst bereits mit Konrad Beikirchers Offenbach-Adaption grandios daneben. Nun ist – freilich in bescheidenerem Rahmen – Elke Heidenreichs treuherziger Versuch, das Libretto einer Kammeroper zu verfassen, kläglich gescheitert. Das Museum Ludwig als Spielort sollte dem Vorwurf, die Oper als Kunstform gehöre ins Museum, mit Ironie begegnen. Leider wurde unfreiwillig Ernst aus dem Schachzug, denn derartig vorgestriges Musiktheater sah man lange nicht mehr.

Der äußere Anlass für das Ereignis ist die jüngst eröffnete Dalí-Ausstellung des Museums, die seltsamerweise nicht in die Szene einbezogen wird. Das Geschehen spielt unmittelbar vor der Eröffnung einer Dalí-Ausstellung und konzentriert sich auf Dalís Ehefrau, Muse und Managerin Gala und die sie umflatternden Männer. Heidenreich, die in der Presse freimütig bekannte, die Arbeit sei ihr leicht und schnell von der Hand gegangen, hat in der Tat mit heißer Nadel gestrickt: gestreute Zitate von Galas dichtendem Ex-Gatten Paul Eluard montiert sie sinnfrei an eigene Verse, die schlicht zu nennen noch geschmeichelt ist. Zu sehen sind weniger Handlung oder gar psychologische Entwicklungen, als eher gespreizte Befindlichkeiten blutleerer Figuren. Die Strickanleitung der Dramaturgie schreibt ein altes Zopfmuster vor: in der ach so exotischen Welt der Bohème treibt ein böses Weib sein Unwesen. Die schöne Gala (Regina Richter, optisch und musikalisch überzeugend) betört mit Schlafzimmerblick, Abendrobe und gelöstem Haar, macht Männer zu Opfern, und ist im Grunde nur scharf auf Macht und Dollars. Die schlimmste ihrer Sünden wird gar zum nervenden Dauerton: das im Stich gelassene Kindlein wimmert im Viertelstundentakt „Maman!“ aus dem Hintergrund – Wozzeck lässt schön grüßen.

Die Männer sind depperte Jammerlappen: Spargeltarzan Dalí reckt das obligatorische Zwirbelbärtchen, Paul Eluard (Alexander Fedin) heult sich mit unruhigem Tenor durch seine Liebesklagen, Max Ernst (Heiner Take) gibt den verbitterten Liebhaber mit wildem Blick. Alle hängen an Gala, die auch nicht ein Klischee der femme fatale auslassen darf. Dass eine derart übel riechende Altherrenphantasie ausgerechnet aus der Feder einer angeblich kritisch denkenden Frau stammt, macht stutzen. Freilich bedient die Musik des jungen Komponisten Marc Aurel Floros das Theater aus der Mottenkiste dankbar mit Klängen des frühen 20. Jahrhunderts. Mit Avantgarde will Floros nichts am Hut haben, er plündert unverhohlen bei Korngold, Strauss, Berg, Ravel und Kollegen, flicht naive Balladen ein und bleibt an Webbers Musical-Zuckerwatte beinahe kleben. Ist von Liebe die Rede, schabt ein Cello Kantilenen und eine Klarinette echot traulich, es bleibt einem nichts erspart. Fazit: vom Wesen der schillernden Muse erfährt man ebenso wenig wie von ihren Motiven. So flach und banal wie die Figuren-Schablonen bleibt denn auch der ganze Abend.

Wie immer in Köln klopfte man sich hernach gegenseitig auf die Schulter und meinte ernsthaft, etwas für die Zukunft der Oper getan zu haben. Die Frage nach der verantwortungsbewussten Verwendung von Subventionen im Sinne eines künstlerischen Auftrags sollte in der Domstadt allmählich an Lautstärke zunehmen.

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