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Archiv-Artikel

Vereinte Handwerker

Die sozialliberale Koalition in Rheinland-Pfalz ist einzigartig – und wird wohl wieder fünf Jahre halten

AUS MAINZ KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Warum klebt die bürgerliche FDP in Rheinland-Pfalz seit Jahr und Tag wie eine Klette an der SPD – und nicht, wie überall sonst in Deutschland üblich, an der bürgerlichen Union? Und warum sind den Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz die Liberalen als Koalitionspartner lieber als die Bündnisgrünen? Und das, obwohl die Grünen sich der SPD unter Führung von Ministerpräsident Kurt Beck auch vor dieser Landtagswahl letztendlich wieder ganz vergeblich als der natürlichere Partner „mit den größeren programmatischen Schnittmengen“ angedient haben?

Weil die FDP glaubt, nur mit der SPD und nur mit Kurt Beck als Chef einer Koalitionsregierung „liberale Politik erfolgreich umsetzen“ zu können, so Wirtschafts-, Verkehrs-, Landwirtschafts- und Weinbauminister Hans-Artur Bauckhage (FDP). Und weil die SPD glaubt, nur mit der FDP „ein Höchstmaß an sozialdemokratischer Politik umsetzen“ zu können, so Beck (SPD) in allen Gesprächen mit der taz schon vor den letzten drei Landtagswahlen. Aktuell wiederholt er diese Aussage gebetsmühlenartig auf allen Kanälen und auf allen Wahlkampfveranstaltungen vor der Wahl am Sonntag.

Dass es die FDP ist, die vom Bündnis mit der SPD in Rheinland-Pfalz am meisten profitiere, glauben vor allem die von der SPD verschmähten Grünen. Beck habe der FDP den wichtigsten Bereich der Landespolitik – die Wirtschafts- und Verkehrspolitik – als „Spielwiese“ überlassen; und die Liberalen hätten sich darauf denn auch ordentlich „austoben“ dürfen.

Tatsächlich heftet sich ausschließlich die FDP in Rheinland-Pfalz die ökonomischen Erfolgsmeldungen der letzten Jahre ans Revers – von der höchsten Exportquote aller Bundesländer bis zum allgemeinen Lob aus der Wirtschaft über die „zukunftsorientierte Mittelstandspolitik“ der Landesregierung. Und Bauckhage wird nicht müde, zu erklären, dass die der SPD 2001 abgerungene „Mobilitätsmilliarde“ die eigentliche Ursache des rasanten wirtschaftlichen Aufschwungs gewesen sei. Sie floss vor allem in den Bundesstraßen- und Autobahnbau. Zudem ermöglichte sie den zügigen Ausbau des früheren Militärflughafens Hahn im Hunsrück zu Deutschlands größtem Airport für Billigflieger.

Eine „Erfolgsstory“ (Bauckhage). In der allerdings will auch Beck weiter eine gewichtige Rolle spielen. Schließlich wurden auf dem Hahn und in der Region nicht nur neue mittelständische Betriebe angesiedelt, sondern auch neue Arbeitsplätze geschaffen. Und dafür ist in der sozialliberalen Koalition (aus)schließlich die SPD zuständig.

Gestritten darüber wird nicht, nicht öffentlich. Und weil die Sozial-, Bildungs-, Familien- und Umweltpolitik gänzlich und von der FDP (fast) unbestritten zum Kompetenzbereich der SPD gehört, sind eigentlich alle zufrieden mit sich und ihrer kleinen Welt. Und die Regierten sind es ganz offensichtlich auch: 44 Prozent werden der SPD für den Sonntag prognostiziert; der FDP knapp 10 Prozent.

Was dem Koalitionsfrieden und auch der Kontinuität bei der Partnerwahl sehr dienlich ist: Da haben sich zwei gestandene Männer mit Lebenserfahrung und gleichem sozialem Background zwar nicht unbedingt gesucht, aber doch gefunden: der gelernte Elektrotechniker Beck (56) und der gelernte Bäcker Bauckhage (63). Handwerker also. Beide wissen, wie die Menschen im Lande „ticken“. Gemeinsam sind sie der personifizierte Mittelstand. Und der prägt die Wirtschaft des Landes – von Ausnahmen wie etwa Opel in Kaiserlautern oder BASF in Ludwigshafen abgesehen.

Doch auch mit den Bossen der Konzerne kommen Beck und Bauckhage gut zurecht. Gleich zweimal im Jahr trifft man sich etwa mit dem Vorstand des Chemiegiganten zum Lunch. Die Nähe zur Wirtschaft zahlt sich aus. Die Nähmaschinenfabrik Pfaff etwa baut ihr neues Werk nun doch nicht in China, sondern in Rheinland-Pfalz. Für Beck ist wohl auch deshalb die FDP immer erste Wahl. Ein Bündnis mit den Grünen dagegen sei Gift für die guten Beziehungen der Landesregierung gerade zu den Chemiegiganten, glaubt er. Die Grünen wurden von ihm noch vor einem Jahr als „Mopsfledermauspartei“ verunglimpft – die seltene Art gefährdete lange den Rollbahnausbau auf dem Hahn.

Weil potenzielle FDP-Wähler vom roten Beck nicht ganz so begeistert sind wie die Parteiführung und weil auch die Arbeit der Koalition von den FDP-Anhängern kritischer beurteilt wird als von der Bevölkerung insgesamt, wurde dem liberalen Affen auf dem Landesparteitag in Mainz vergangene Woche ordentlich Zucker gegeben. Doch einprügeln auf die „staatsfetischistischen Parteien SPD und CDU“ durfte nach der Parteitagsregie nur der eigens eingeflogene Bundestagsabgeordnete Rainer Brüderle.

Brüderle war bis 1998 selbst Wirtschaftsminister des Landes. Die SPD, die weiter den „fetten, impotenten Kater Staat“ pflege, kriegt von ihm ordentlich ihr Fett weg. Bei der Debatte um die Erhöhung der Mehrwertsteuer, meinte der Exminister mit einem Seitenhieb auf Beck, sei die Partei doch „umgefallen wie ein Sandsack bei Moselhochwasser“. Die Delegierten tobten. Mainz bleibt Mainz. Im selben Saal wird die Fernsehfastnacht zelebriert.

Bauckhage holte dann alle wieder runter auf die rheinland-pfälzische Ebene. Der Westerwälder listete ganz unpathetisch die Erfolge der sozialliberalen Koalition auf. Angekommen bei der „Gleichstellung der beruflichen Ausbildung mit der Hochschulausbildung“, lobte er sogar den Koalitionspartner erneut nachdrücklich: „Das Gespür für den Mittelstand macht die Sozialdemokraten so sympathisch für uns.“ Genau das schätzt Beck auch an der FDP. Nach drei Legislaturperioden also noch einmal fünf Jahre sozialliberale Koalition in Rheinland-Pfalz.

Und kein Ende in Sicht.