piwik no script img

Archiv-Artikel

Krank durch Arbeit

GESUNDHEIT In Vegesack hat die Arbeitnehmerkammer ihre Beratungsstelle für Berufskrankheiten offiziell eröffnet: Nach wie vor ist die Anerkennung der verbreiteten Asbestose ein Hauptproblem

Die Beratungsstelle

■ Die Beratungsstelle in der Zweigstelle Vegesack der Arbeitnehmerkammer, Lindenstr. 8, ist montags von 13 bis 17, mittwochs und donnerstags von 9 bis 13 Uhr geöffnet. Sie berät kostenlos

■ bei der Meldung einer Berufskrankheit,

■ beim Ausfüllen der Fragebögen,

■ beim Widerspruch gegen einen Bescheid,

■ bei Akteneinsicht

■ um das medizinische Gutachten zu erläutern,

■ beim Verdacht auf Verfahrensfehler.

Die bereits lange geplante Beratungsstelle für Berufskrankheiten der Bremer Arbeitnehmerkammer hat am Donnerstag in der Vegesacker Lindenstraße offiziell ihren Betrieb aufgenommen. Sie ist hervorgegangen aus dem vom Betriebsrat der ehemaligen Vulkan-Werft, Rolf Spalek, gegründeten und mehr als ein Jahrzehnt ehrenamtlich betriebenen Beratungsbüro.

Spalek hatte seinerzeit auf den Unwillen der Berufsgenossenschaften reagiert, die unter Werftarbeitern extrem häufige, aber meist erst lange nach dem Berufsleben auftretende Asbestose als Berufskrankheit anzuerkennen. In Bremen gibt es aufgrund der Werftgeschichte der Hansestadt besonders viele Asbest-Geschädigte. Als hauptamtlicher Berater fungiert der Gesundheitswissenschaftler Niklas Wellmann.

Seit diesem Sommer ist die Arbeitnehmerkammer für die von dem Land Bremen finanzierte Anlaufstelle zuständig. In der Geschäftsstelle Bremen-Nord sollen zukünftig Betroffene bei den Anträgen auf Anerkennung ihrer Berufskrankheit unterstützt werden. Laut Kammer-Hauptgeschäftsführer Ingo Schierenbeck werden jährlich mehr als 1.000 Berufserkrankungen bei den zuständigen Versicherungen angezeigt.

Die Anerkennung ist jedoch äußerst aufwändig. „Viele Erkrankte trauen sich das langwierige Verwaltungsverfahren oft nicht zu und geben zu früh auf“, so Schierenbeck. Hier soll die Beratungsstelle die Geschädigten unterstützen. Auf lange Sicht müssten jedoch die Kriterien zur Anerkennung einer Berufserkrankung bundesweit vereinfacht werden, so Schierenbeck.

Damit die Anträge der Erkrankten trotz der hohen Anforderungen genehmigt werden, hilft Berater Wellmann beim Ausfüllen der Formulare. Obschon die Bremer Vulkan bereits vor 16 Jahren aufgelöst wurde, sind laut dem Gesundheitswissenschaftler noch immer ein Drittel aller angezeigten Erkrankungen durch Asbestkontakt entstanden. Allerdings seien auch Hautkrankheiten und Lärmschädigungen häufig.

Ende des Jahres soll auch in Bremerhaven eine ähnliche Beratungsstelle entstehen. Ginge es nach Wellmann, würde aber vor allem noch eine Beratungsstelle in Bremens Innenstadt dazu kommen.

Gerade für Menschen mit Atemwegserkrankungen wie zum Beispiel Asbestose, die im Zentrum Bremens wohnen, sei der Weg bis Vegesack einfach zu weit.

Um die Anerkennung von Berufskrankheiten künftig zu vereinfachen, plant das Land Bremen eine Bundesratsinitiative: Inhaltlich sind vor allem Fragen der Beweislast und über die Auswahl der Gutachter umstritten. Bislang haben die Berufsgenossenschaften, die bei anerkannten Berufskrankheiten finanziell gefordert sind, das Recht, die Gutachter nach ihrer Einschätzung freihändig zu beauftragen – was den Aufbau von gegenseitigen Abhängigkeiten ermöglicht.JURIK ISER