: Ein übergelaufenes Fass ist doch keine Krise
Bürgermeister von Beust will Kusch-Rauswurf nicht zu hoch hängen und dessen Staatsrat Lüdemann als Nachfolger
Ole von Beust versuchte zu beschwichtigen: „Schön ist das nicht, aber auch keine Krise“, behauptete Hamburgs CDU-Bürgermeister gestern Vormittag im Pressesaal des Rathauses. Gerade habe er Justizsenator Roger Kusch (CDU) die Entlassungsurkunde „zustellen lassen“, erklärte von Beust. Es wäre „einfacher gewesen“, wenn dieser selbst zurückgetreten wäre, räumte er ein, aber Kusch sei nun mal „eine etwas kantige Persönlichkeit“.
Die seit zwei Wochen schwelende Protokoll-Affäre (taz berichtete mehrfach) sei „der Anlass gewesen“ für die Entlassung Kuschs, „aber nicht der Grund“, so von Beust. Die mannigfachen Alleingänge des Senators (siehe Chronik rechts) hätten seit geraumer Zeit dessen Rückhalt in „Fraktion, Partei und auch der Öffentlichkeit schwinden lassen“, räumte er ein: „Das Grundvertrauen ist nicht mehr da.“ Kuschs „Uneinsichtigkeit in sein Fehlverhalten“ habe nun „das Fass zum Überlaufen gebracht“.
Tagelang habe er, so von Beust, „persönlich mit mir gerungen“, ob er Kusch entlassen solle. Im Nachhinein würde er sagen, es sei „im Grundsatz ein Fehler“, einen engen persönlichen Freund zum Senator gemacht zu haben. Man neige dann „menschlich dazu, dessen Verhalten zu kritisch oder zu unkritisch zu sehen“, begründete von Beust sein langes Zögern.
CDU-Fraktionschef Bernd Reinert nahm die Entlassung Kuschs mit Erleichterung auf: „Das ist eine gute Entscheidung des Bürgermeisters.“ Er gehe davon aus, dass die Fraktion auf ihrer Sitzung am Abend dessen Nachfolge-Vorschlag „uneingeschränkt zustimmen wird“. Der bisherige Staatsrat Carsten Lüdemann soll am morgigen Mittwoch von der Bürgerschaft zum neuen Justizsenator gewählt werden. Er habe „keinen Zweifel“, versicherte von Beust, dass Kuschs zweiter Mann von den Vorgängen in der Justizbehörde „nichts gewusst hat, sonst würde ich ihn nicht vorschlagen“.
Zumindest dürfte dieser Personalvorschlag die Fraktion besänftigen, die sich bei der Vergabe von Senatsposten in der Vergangenheit häufig übergangen fühlte. Der 41-jährige Jurist Lüdemann war sieben Jahre lang innenpolitischer Experte der CDU und gilt dort als wohl gelitten. Dennoch ist der Bürgermeister sich nicht sicher. Sollte Lüdemann nicht gewählt werden, räumte er ein, „dann haben wir in der Tat eine Krise“.
Aus Sicht der oppositionellen SPD und Grünen jedoch ist die Affäre noch längst nicht beendet. Die FraktionschefInnen Michael Neumann und Christa Goetsch kündigten an, in der morgigen Bürgerschaftsdebatte „weitere Aufklärung“ zu verlangen. Sven-Michael Veit