: Behörden kriegen das Flattern
Nach der peinlichen Vogelgrippe-Panne schieben sich die Behörden gegenseitig den schwarzen Peter zu. Der Fundort des infizierten Mäusebussards sei nicht mehr feststellbar, so die Feuerwehr
Von ULRICH SCHULTE
Einen Mäusebussard mit einem Eichelhäher zu verwechseln, einem zartgrauen Singvogel mit blau schimmernden Flügeln, ist auch jenseits ornithologischer Fachtagungen eine peinliche Sache. In den zuständigen Behörden versuchte man gestern hektisch, die Vogelgrippe-Panne aufzuklären – ohne Erfolg.
Es sei kaum mehr feststellbar, wo der mit dem Virus infizierte Mäusebussard gefunden wurde, hieß es bei der Feuerwehr. Am Wochenende hatte der tote Greif der Hauptstadt ihren ersten Vogelgrippe-Fall beschert, am Plastiksack klebte jedoch der falsche Zettel mit den Daten eines (nicht erkrankten) Eichelhähers. Er war in Biesdorf gefunden worden.
Das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems untersucht derzeit, ob der Bussard mit der hochpathogenen, also der gefährlichen Variante des H5N1-Virus infiziert war. Dem Vernehmen nach ist das wahrscheinlich. Das Krankheitsbild deute darauf hin, hieß es. Das Ergebnis wollen die Forscher in den nächsten Tagen bekannt geben.
Die Berliner Behörden verstricken sich unterdessen in das beliebte Spiel, sich den schwarzen Peter zuzuschieben. Die Feuerwehr, die täglich 80 bis 130 tote Vögel einsammelt, ist alles andere als schuldbewusst – schließlich sei Vögelaufsammeln nicht ihr Job und eine „Extremsituation“. Die Feuerwehrmänner betreiben für jede tote Krähe einen beträchtlichen Aufwand: Sie rücken aus, schmeißen sich ins Infektionsschutzset – das aus Anzug, Gummistiefel und Atemschutzmaske besteht – und packen den Vogel in einen Plastiksack. Darauf haben die Teams bisher mit Tesafilm einen Zettel mit Datum und Fundort geklebt.
Wer Tesa kennt, wird Feuerwehrsprecher Matthias Waligora zustimmen, der sagt: „Es mag ja sein, dass ein Zettel vom Eichelhäher abgerissen ist – damit ist aber längst nicht geklärt, wie er an den Bussardsack kam.“ Will heißen: Das Institut für Lebensmittel, Arzneimittel und Tierseuchen (Ilat) ist ja auch noch da. Dorthin karrt die Feuerwehr nämlich die verendeten Tiere in drei Transporten pro Tag. Vorsichtshalber beschriften die Vogelsammler die Plastiksäcke künftig mit Edding (wasserfest).
Auch im Ilat hat man Ursachenforschung betrieben: „Bei uns ist kein Fehler bei der Registrierung passiert“, sagt Veterinärmediziner Ulrich Wittstatt. Am Bussardsack habe definitiv der falsche Zettel geklebt. Das glaubt auch die Gesundheitsverwaltung. „Das Ilat ist ein zertifiziertes Institut und hat Routine in Testverfahren“, so Sprecherin Roswitha Steinbrenner. Jetzt sei wichtig, dass eine „so peinliche Panne nicht noch mal passiert.“
Die Ilat-Veterinärmediziner fahren derzeit Sonderschichten. Sie sichten die Kadaver und sortieren besonders gefährdete Arten wie Wasser- und Greifvögel aus, auch Aasfresser wie Krähen oder Dohlen gehören dazu. „Das sind 20 bis 30 Vögel täglich“, sagt Wittstatt. Die Forscher entnehmen diesen Vögeln Schleim aus der Luftröhre und testen ihn auf das Influenza-A-Virus, das bei Vögeln häufig vorkommt. Erst wenn dieser Vortest positiv ist, wird das Tier ans Friedrich-Loeffler-Institut geschickt.
Wegen der Panne gilt jetzt ganz Berlin als Beobachtungszone – was durchaus sinnvoll ist: Denn unter Experten ist umstritten, ob die Absperrung eines Gebiets, wie in Biesdorf geschehen, überhaupt etwas nutzt. Schließlich fliegt ein Mäusebussard jeden Tag kilometerweit. Wo ein krankes Tier verendet, ist Zufall.