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Archiv-Artikel

Auf der Jagd nach dem Abmahnmonster

INTERNET Verbraucherschützer fordern ein deutlich einfacheres Urheberrechtsgesetz: Das aktuelle Paragrafenungetüm helfe nur Abmahnanwälten, Angst zu verbreiten – und abzukassieren

„Eltern haften nicht für ihre Kinder“

MEDIENRECHTLER LAMBERT GROSSKOPF

Medienexperten fordern ein Urheberrecht, dass auch Kinder und Jugendliche verstehen können. „Wir brauchen das 20-Worte-Gesetz“, sagte der Jura-Professor Lambert Grosskopf am Freitag bei einer „Medienkompetenzmesse“ in Bremen. So sei am besten zu verhindern, dass Internetnutzer durch Downloads das Urheberrecht verletzen. Anwaltskanzleien hätten sich darauf spezialisiert, derartige Verstöße abzumahnen und dafür üppig zu kassieren: „Das ist ein Geschäftsmodell.“

Die Verbraucherzentralen sprechen gar von einer „Abmahnindustrie“, so die Geschäftsführerin der Bremer Dependance, Irmgard Czarnecki. Seit 2009 habe man allein in Bremen in 1.400 Fällen wegen Abmahnungen zum Urheberrecht beraten. Dabei seien Gebühren in Höhe von 400.000 Euro verlangt worden. „Bundesweit sind bisher schätzungsweise 4,3 Millionen Menschen betroffen – bei einem Abmahnvolumen von rund 1,5 Milliarden Euro“, so Czarnecki.

Eine von ihnen: Die Bremerin Sara, 16 Jahre alt. Sie hatte Musik von einer Internet-Austauschbörse heruntergeladen – bis die Abmahnung einer Anwaltskanzlei im Briefkasten steckte, die für den Download eines einzigen Liedes 650 Euro verlangte. „Ein anderes Beispiel ist ein Jugendlicher, der über eine Ebay-Kleinanzeige eine ‚coole Bushido-Jacke‘ verkaufen wollte“, so Verbraucherschützerin Czarnecki. Auch da folgte eine Abmahnung – 950 Euro – aufgrund der Schutzrechte für den Namen. „Es geht nicht um Peanuts und nicht nur um Musik und Filme“, so Czarnecki. „Da wird mit Angst und Druck gearbeitet.“ Wie Grosskopf fordert sie eine Vereinfachung des Gesetzes. Das aktuelle Urheberrecht sei ein Monstrum aus 142 Paragrafen, jeweils noch untergliedert. Was erlaubt sei und was nicht, erschließe sich oft nur noch Anwälten.

Wer eine Abmahnung bekommt, sollte zunächst Ruhe bewahren, raten die Verbraucherschützer. „In den seltensten Fällen wird verklagt“, so Czarnecki. Allerdings zahlten die Betroffenen oft sofort, wenn der Betrag noch tragbar sei. Der Medienrechtler Grosskopf bestätigte, viele Abmahnungen verliefen im Sande, weil genau nachgewiesen werden müsse, wer etwa die Musik heruntergeladen habe. „Eltern haften nicht für ihre Kinder, auch wenn ihnen der Telefonanschluss gehört.“

Er erinnerte daran, dass Anschauen und -hören frei sind. Problematisch könne erst das Downladen und Weiterverbreiten von Dateien werden. Um Jugendliche altersgerecht übers Urheberrecht zu informieren, hat die Landesmedienanstalt mit der Verbraucherzentrale unter www.legal-box.de ein Internet-Portal eingerichtet.  (epd/taz)