: „In besonderem Maße brutal“
Für den Übergriff auf zwei Männer hat das Landgericht Potsdam fünf Neonazis zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Brandenburgs größter Prozess gegen Neonazis findet damit ein Ende
VON FELIX LEE
Am Ende ging alles schneller als erwartet. Nach einer fast viermonatigen Verhandlung hat das Potsdamer Landgericht gestern die sechs angeklagten Neonazis zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt – zwei Tage früher als noch in der vergangenen Woche angekündigt. Die Verurteilten hatten im Sommer 2005 zwei junge Männer in Potsdam schwer verletzt.
Bei zwei Angeklagten ging das Gericht in seinem Urteil sogar über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus. Der Richter warf den Angeklagten gefährliche Körperverletzung vor und verurteilte sie zu Haftstrafen zwischen zwei und fünf Jahren. Fünf der sechs 23- bis 32-jährigen Angeklagten bleiben damit in Haft. Der sechste Beteiligter wurde auf freien Fuß gesetzt. Seine zweijährige Strafe wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, weil er zuvor ein Geständnis abgelegt hatte und darin seinen Ausstieg aus der Neonazi-Szene versicherte.
Die Staatsanwaltschaft hatte Haftstrafen zwischen zweieinhalb und fünf Jahren gefordert. Die Anwälte der Opfer hatten als Nebenkläger sogar für Strafen zwischen vier und neuneinhalb Jahren plädiert und eine Verurteilung wegen versuchten Mordes gefordert. Eine Tötungsabsicht sah der Richter jedoch nicht als erwiesen an.
In einem Parallelverfahren zum selben Fall hatte das Landgericht vor gut einer Woche bereits eine 18-jährige Frau zu drei Jahren und drei Monaten Jugendstrafe verurteilt. Drei weitere Neonazis im Alter von 19 bis 21 Jahren erhielten zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafen von zwei Jahren, ein weiterer bekam eine Verwarnung wegen unterlassener Hilfeleistung. Dieses Verfahren wurde separat verhandelt, weil die Angeklagten noch unter das Jugendstrafrecht fallen.
Der Richter sah es als erwiesen an, dass die sechs gestern Verurteilten am frühen Morgen des 3. Juli 2005 zusammen mit den fünf Minderjährigen einen ihnen bekannten Angehörigen der linken Szene, Tamás B., und seinen Freund auf der Straße zusammengeschlagen und schwer verletzt haben. Die Tat war „in besonderem Maße brutal“, sagte der Richter. Er bescheinigte den Tätern niedere Beweggründe.
In seiner über anderthalbstündigen Urteilsbegründung schilderte der Richter noch mal den Tathergang. Gegen 1.30 Uhr habe die Gruppe von der Straßenbahn aus die zwei Männer gesehen. Blitzschnell sei sie aus der Bahn ausgestiegen und habe ihre Opfer eingekreist. Die 18-jährige Frau habe als Erste mit einer Bierflasche zugeschlagen. Aber auch alle anderen hätten keine Hemmungen gehabt, auf die am Boden liegenden Männer einzuprügeln.
Die Angeklagten wurden auf Grund von Aufzeichnungen einer Überwachungskamera der Straßenbahn identifiziert. Warum der Trambahnfahrer nicht entsprechend reagiert hat, bleibt ungeklärt.
Der Richter sah es auch als erwiesen an, dass einer der Angeklagten so stark gegen den Kopf von Tamás B. getreten hat, dass er „wie ein Fußball hin und her flog“. Die Ärzte attestierten dem heute 24-jährigen Opfer ein gefährliches Schädel-Hirn-Trauma, sein 25-jähriger Begleiter, den die tiefen Narben im Gesicht wahrscheinlich sein Leben lang prägen werden, leidet noch heute unter den psychischen Folgen des Übergriffs. Tamás B. zeigte sich dennoch erleichtert über den Ausgang: „Das Gericht hat sie als schuldig erkannt.“ Zumindest dieses Kapitel könne er nun beenden.