: Der arme Nordosten bittet um Gnade
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident will unbedingt Änderungen an der Föderalismusreform durchsetzen. Er fürchtet, dass sein Land die finanziellen Folgen der Reform nicht verkraftet. Doch für seine Forderungen findet er kaum Verbündete
AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER UND MAURITIUS MUCH
Harald Ringstorff macht Ernst. Der sozialdemokratische Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern will der Föderalismusreform in der derzeitigen Form nicht zustimmen. Deshalb hat er jetzt über seinen Innenminister Gottfried Timm (SPD) vier Änderungsanträge in den Bundesrat eingebracht.
Bereits Anfang März hatte sich Ringstorff als einziger Ministerpräsident im Bundesrat der Stimme enthalten, als die Länderkammer den Entwurf in erster Lesung mit großer Mehrheit verabschiedete. Ringstorff sieht sein Land durch die Reform benachteiligt. Sie heize einen regelrechten Wettbewerb zwischen den einzelnen Bundesländern an, sagte seine Sprecherin Marion Zinke der taz. Da könne das finanzschwache Mecklenburg-Vorpommern nicht mithalten. Seit Jahren ist das Land auf Mittel aus dem Länderfinanzausgleich angewiesen.
Mit einem der vier Anträge will Ringstorff erreichen, dass der Bund weiter für den Strafvollzug zuständig bleibt. „Es müssen einheitliche Standards gewährleistet sein“, so Sprecherin Zinke. Zudem fordert die Regierung von Mecklenburg-Vorpommern ein gemeinsames Umweltgesetzbuch, in dem einheitliche Richtlinien für Investitionen festgelegt werden sollen.
Beim Hochschulbau kämpft Ringstorff für Ausgleichszahlungen, da Mecklenburg-Vorpommern durch die Verlagerung der Kompetenzen vom Bund zu den Ländern Zuschüsse verlieren würde. Zudem fordert sein Land auch Bundesgelder für die Forschung und den Bau von Forschungseinrichtungen.
Ein vierter Antrag betrifft die Besoldung, Versorgung und Laufbahn der Beamten. Hier tritt Mecklenburgs Ministerpräsident dafür ein, das einheitliche Beamtenrecht beizubehalten. Ansonsten nähmen sich die Länder gegenseitig ihre Beamten weg, sagt Ringstorffs Sprecherin.
Bisher hat Mecklenburg-Vorpommern kaum gewichtige Verbündete bei seinen Änderungsvorschlägen. Lediglich aus Schleswig-Holstein könnte Hilfe kommen. Die Bildungsministerin und derzeitige Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Ute Erdsiek-Rave (SPD), hat sich kürzlich auch für eine einheitliche Beamtenbesoldung ausgesprochen. „Ansonsten stehen wir ziemlich alleine da unter den Bundesländern“, gibt Zinke zu.
Allerdings hofft Mecklenburg-Vorpommern auf Unterstützung aus dem Bundestag. Gerade in der SPD-Fraktion gibt es starke Vorbehalte gegen die Reform. Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist mit der Reform nicht zufrieden. Ihr Präsident Ernst-Ludwig Winnacker sagte im Bundestag, dass die gröbsten Fehler auf dem Gebiet der Hochschulpolitik verhindert werden müssten. „Wenn dies gelänge, dann hätten wir etwas erreicht. Denn wir dürfen nicht zurückfallen in die Zeit von 1960.“
Damit die Reform in Kraft treten kann, ist eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat notwenig. Die hat die große Koalition im Bundestag schon, im Bundesrat fehlen nach den Landtagswahlen vom Sonntag nur noch zwei Stimmen. Die könnten entweder aus einem Land kommen, in dem die FDP mitregiert. Oder aus Berlin. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gilt als starker Befürworter der Reform. Anders als die Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern ist dort auch die mitregierende Linkspartei nicht grundsätzlich gegen die Reform. Zwar habe man sich noch nicht nicht auf ein Abstimmungsverhalten festgelegt, sagte Linksfraktionschef Stefan Liebich der taz. „Aber die Hauptstadtklausel ist schon ein gewichtiger Grund für die Reform.“ Dank ihr bekommt die Stadt zusätzlich Geld vom Bund.
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