: Putschisten danken Premier Putin
KIRGISIEN Die neue Übergangsregierung betont Nähe zu Moskau und sucht den gestürzten Präsidenten Bakijew. Der ist vermutlich untergetaucht
■ Kirgisische Republik lautet die amtliche Bezeichnung, als weiterer offizieller Name gilt Kyrgisstan. Im Deutschen sind Kirgisien, Kirgistan und Kirgisistan geläufig. Kirgisien wird im deutschen Sprachraum am häufigsten gebraucht. Es ist die eingedeutschte Version des russifizierten Kirgisia. Geläufig sind inzwischen auch Kirgistan und Kirgisistan. Mit der Verwendung der Nachsilbe „Stan“ für Territorium betonen Kirgisen so wie Usbeken, Afghanen oder andere zentralasiatische Völker ihre Identität. Unklar ist, wie im Deutschen die Bestandteile „Kirgis“ für das Volk und „Stan“ für das Land zusammengefügt werden. Das Auswärtige Amt fügt ein Bindungs-i ein: Kirgisistan. Andere lassen ein s weg: Kirgistan.
VON BERNHARD CLASEN
BERLIN taz | Nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen der vergangenen Tage gilt in Kirgisien zwei Tage Staatstrauer. Allein in der Hauptstadt Bischkek wurden nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax 1.500 Menschen verletzt, 75 verloren ihr Leben.
In der Nacht zum 9. April hätten Miliz und Freiwillige einer Bürgerwehr Plünderer verhaftet. Kirgisiens neuer Innenminister, Bolot Schernijaso, hatte den Schusswaffeneinsatz genehmigt. Die meisten Geschäfte in der Hauptstadt waren geplündert. Langsam normalisiere sich das Leben wieder in Bischkek und anderen Städten, berichtete gestren das Internetportal lenta.ru unter Berufung auf das kirgisische Innenministerium. Miliz und Armee hätten sich inzwischen auf die Seite der Bakijew-Gegner gestellt.
Gegenüber „Echo Moskau“ dementiert der gestürzte Präsident Kurmanbek Bakijew, er habe Kirgisien bereits verlassen. Die Ereignisse, so Bakijew, seien ganz offensichtlich vom Ausland inszeniert. Die Internet-Nachrichtenagentur ferghana.ru berichtete, Bakijew halte sich derzeit unweit von Dschalal-Abad nahe der usbekischen Grenze auf. In dem Dorf, in dem er von bewaffneten Soldaten geschützt werde, sei er in Begleitung seiner Brüder Achmat und Schanysch gesehen worden. Nach Informationen des kirgisischen Internetportals 24.kg ist Bakijew zum Rücktritt bereit, wenn ihm und seiner Familie im Gegenzug Straffreiheit zugesichert werde.
Diesen Wunsch werden ihm Kirgisiens neue Machthaber aber wohl kaum erfüllen. Sie haben inzwischen den Bruder des gestürzten Präsidenten und Leiter des Staatsschutzes, Schanysch Bakijew, zur Fahndung ausgeschrieben. Er, so die neue Regierung, sei der Hauptschuldige für die Ermordung Dutzender Kirgisen in den letzten Tagen.
Derweil flog gestern eine Delegation der neuen Regierung unter Führung des stellvertretenden Premierministers Almasbek Atambajew zu Verhandlungen nach Moskau. Die russische Regierung hatte von Anfang an gezeigt, auf wessen Seite ihre Symphatien liegen. Telefonisch sicherte Russlands Premier Putin der neuen kirgisischen Regierungschefin Rosa Otunbajewa Unterstützung zu. Und Tatjana Moskalkowa, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Angelegenheiten der GUS in der russischen Staatsduma, sagte, Russlands Gesellschaft habe keinen Grund zur Gleichgültigkeit. Kirgisien sei ein strategischer Partner Russlands im postsowjetischen Raum.
Für die Moskauer Tageszeitung Moskowskij Komsomolez spricht vieles dafür, dass Bakijew, als er ausländische Kräfte hinter dem Umsturz vermutete, nur Russland gemeint haben könnte. Zu häufig habe sich Kirgisiens eigenwilliger Herrscher an mit Moskau geschlossene Vereinbarungen nicht gehalten. So hatte Bakijew Moskau die Schließung der US-Militärbasis zugesagt. Doch obwohl Moskau die vereinbarten Finanzhilfen bezahlt habe, sei die US-Basis nicht geschlossen worden.
Russland hat nun den neuen kirgisischen Machthabern seine Unterstützung zugesagt und sie im Gegensatz zu den USA bereits anerkannt. Die kirgisische Übergangsregierung dankte Russland für dessen Rolle beim Sturz von Bakijew. Die EU ist noch unentschlossen, ob sie die neue Regierung anerkennen soll.