: Partnersuche für den Rückzug
Ehud Olmert muss Koalitionspartner suchen. Der einseitige Rückzug aus Teilen Palästinas ist dabei kein Streitpunkt. Dem Friedensprozess dient das nicht
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Wahlsieger Ehud Olmert ist enttäuscht. Hatten ihm die Umfragen zunächst ein Drittel der Sitze in der Knesset versprochen, so muss der designierte Premier nun mit zwei oder gar mehr potenziellen Koalitionspartnern eine Einigung finden. Zwölf Sitze weniger als erwartet bescherten ihm die Wähler, dennoch gibt es unter den Abgeordneten eine klare Mehrheit für Olmerts politisches Programm. Der einseitige Rückzug aus Teilen des besetzten Gebietes steht auf seiner Agenda und die Festlegung der staatlichen Grenzen bis 2010. Jede der Listen, die als Regierungspartner infrage kommt, wird versuchen, einen möglichst hohen Preis herauszuschlagen, um die eigenen Ziele voranzutreiben.
„Für die Palästinenser ändert sich infolge des israelischen Wahlergebnisses nichts“, kommentierte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den Sieg Olmerts, es sei denn, der künftige Premier zeige sich doch zu Verhandlungen bereit. Olmert wiederum erwartet einen Richtungswechsel der frisch vereidigten Hamas-Minister. Zwei neue Führungen, die feststecken und ohne internationales Zutun kaum zueinander finden werden. Dabei signalisierten beide Seiten Bereitschaft. Schon am Morgen nach den Wahlen kündigte Olmert „schmerzliche Zugeständnisse“ und die Errichtung eines Palästinenserstaates an.
Mit derartigen Tönen kann vor allem die Arbeitspartei gut leben. Schließlich hatte sie sich den einseitigen Abzug als Erste auf ihre Fahne geschrieben. Parteichef Amir Peretz wird darauf drängen, nichts unversucht zu lassen, um Verhandlungen mit den Palästinensern zu erreichen. Nach dem überragenden Wahlsieg der Hamas bei den palästinensischen Parlamentswahlen Ende Januar sind die Hoffnungen auf einen Dialog indes nahezu auf den Nullpunkt gesunken. Allzu viel Zeit wird die neue Regierung nicht mehr vergeuden, bis sie die Umsetzung ihres erklärten Ziels in Angriff nimmt.
Das Wahlergebnis spiegelt zum einen die Haltung der Bevölkerung, die den Friedensprozess als gescheitert betrachtet, zum anderen den Wunsch auf einen weiteren Rückzug aus den Gebieten. Die israelische Mehrheit reagierte auf die neue extreme Regierung in den Palästinensergebieten nicht mit einem „Nun erst recht“-Wahlverhalten, das Expremier Benjamin Netanjahu an die Spitze des Likud gebracht hatte, sondern stimmte gerade jetzt zum ersten Mal für die Aufgabe zumindest von Teilen des besetzten Landes. Das aber bei gleichzeitiger Errichtung der Trennanlagen, hinter denen man sich solange verbarrikadiert, bis von der anderen Seite wieder ein anderer Wind herüberweht. Die Gebietsaufgabe gilt nicht, wie zu Zeiten des Osloer Friedensprozesses, als Gegenleistung für den Frieden. Der Begriff „Frieden“ tauchte während des gesamten Wahlkampfs nicht auf. Heute will man die besetzten Gebiete schlicht loswerden, weil sie zur Last geworden sind.
Das Scheitern Netanjahus und die Zerschlagung des Likud, der noch bis vor wenigen Monaten größten israelischen Volkspartei, sind auf die Einsicht des Volkes zurückzuführen, dass die Palästinenser mit Gewalt nicht zum Frieden zu zwingen sind. Daran ändert auch der Triumph des Faschisten Avigdor Lieberman nichts, dessen Liste Israel Beitenu (Unser Heim Israel) mit zwölf Sitzen drittgrößte Fraktion wird. Netanjahus ehemaliger Bürochef konzentrierte seinen Wahlkampf auf den innenpolitischen Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen. Mit der Gründung eines Palästinenserstaates hat Lieberman kein Problem. Er ist durchaus bereit zur Gebietsaufgabe, allerdings nur, wenn möglichst viele Palästinenser auf dem fraglichen Gebiet leben. Lieberman verfolgt die Vorstellung, man könne sich im Zuge der Abkoppelung gleich auch von den israelischen Arabern verabschieden und rein arabische Städte, die zu Israel gehören, Palästina angliedern und Israel auf diese Weise ethnisch reinigen.
Liebermans Erfolg, der sich schon in den Umfrageergebnissen spiegelte, ist aber auch Folge des Wahlverhaltens der russischen Immigranten, die 15 Jahre nach ihrer Ankunft in Israel noch immer zumeist gruppentreu wählen, egal welche Agenda zur Debatte steht. Die russische Stimme geht an den letzten Kandidaten mit breitem Akzent, nachdem Nathan Scharanskys Partei, Israel Be’Alija, zersplitterte. Von gruppentreuem Wahlverhalten profitierte auch Schas, die Partei der religiösen Orientalen, und nicht zuletzt die Rentnerpartei, die mit sieben Mandaten den überraschendsten Erfolg verbuchen konnte.