: Fast ein Vierteljahrhundert
KLANG Das Bremer Musikfest bietet konstante Qualität und wird dabei immer nachhaltiger. Jetzt muss es sein Bemühen um alte Orgel nur noch auf Kinder übertragen
VON HENNING BLEYL
Das Bremer Musikfest biegt in die Zielgerade ein, mit der Sopranistin Christine Schäfer gibt es morgen einen vorletzten Höhepunkt – der aller Voraussicht nach ein weiterer Beleg für die konstant sehr beachtliche Qualität des dreiwöchigen Festivals sein wird. Wie aber entwickelt es sich strukturell?
Das Musikfest, das vor fast einem Vierteljahrhundert rein klassisch und überwiegend öffentlich finanziert startete, hat viel Wandel hinter sich. Das Programm setzt zwar immer noch einen deutlichen Akzent auf „Alte Musik“ – dafür steht nicht zuletzt Gründungsintendant Thomas Albert, im Hauptberuf Barockgeiger –, öffnet sich aber längst auch Jazz und Crossover-Formaten. Neben der Ausdehnung ins „Umland“ – als das mittlerweile ganz Friesland und die halbe Wesermarsch begriffen wird – ist vor allem die Umstellung der Finanzierung auffällig: Längst geben Sponsoren den Löwenanteil, während sich früher Kultur- und Wirtschaftsressort zu je einem Drittel beteiligten.
Mit 3,27 Millionen Euro hat das Musikfest dieses Jahr wieder etwas mehr Geld als 2012, im Vergleich zu früheren Mittelwerten bleibt der Etat aber abgesenkt. Die öffentliche Hand ist noch mit 550.000 Euro aus Bremen und 80.000 von der Metropolregion vertreten. Ein Viertel der letztjährigen Sponsoren sind nicht mehr dabei. Aber offenbar reichte der berühmt-berüchtigte Charme von Intendant Albert aus, um die Verbleibenden zu entsprechend größeren Zuwendungen zu bewegen.
Einige Projekte mussten trotzdem abgesagt werden, etwa der Auftritt des „Ensemble Resonanz“ aus Hamburg – der eine überfällige Premiere dargestellt hätte. Das selbst verwaltete Hamburger Streichorchester, das wie kaum ein zweites Zeitgenossenschaft sucht, ist eine Art Avantgarde-Schwester der hiesigen, ebenfalls autonomen Kammerphilharmonie. Die Resonanzler sind Kummer gewöhnt: Sie sind das – künftige – Residenzorchester der Elbphilharmonie. Um zumindest die Kammerphilharmonie irgendwie ins Programm zu „integrieren“, wird das Musikfest um anderthalb Wochen schein-verlängert: Den als „Sonderkonzert“ titulierten Fidelio gibt es erst weit nach Festivalende, trotzdem wird er als Schlussakt auf der Musikfest-Programmschiene beworben.
Die inhaltsträchtigste Neuerung ist die Entwicklung der Arp-Schnitger-Reihe als Festival im Festival. Mit ihm spannen Albert und seine MitstreiterInnen den Bogen vom Heimspiel zur Weltgeltung: Die zahlreichen in der Region erhaltenen Instrumente des aus der Wesermarsch stammenden Orgelbaumeisters Schnitger sind dabei nicht nur aus dem platten Land herausragende Konzertorte, sondern sollen in ihrer Gesamtheit auch als Unesco-Erbe angemeldet werden. Der Nordwesten bietet sogar noch mehr, wie durch das Musikfest zunehmend bewusst wird: Das Schnitger-Werk ist eingebettet in eine ungemein reiche Orgelregion: Weltweit sollen nirgends so viele Instrumente aus Gotik, Renaissance und Barock erhalten sein.
Hier beweist das Musikfest, das gelegentlich der Event-Festivalitis geschmäht wird, Sinn für Nachhaltigkeit. Sein Einsatz für die Orgelregion ist auch von der Sorge um den Instrumenten-Erhalt getrieben. Erstmals war jetzt ein Restaurierungs-Symposium Teil des Musikfestes – bei dem lediglich die Annahme irritierte, dass der Klimawandel bereits sichtbare Spuren an Pfeifen und Prospekten hinterlassen habe. Die aktuellsten Ansätze der Korrosionsforschung wurden in Bremen dabei von südamerikanische Experten diskutiert – sogar in Brasilien steht eine Schnitgerorgel.
Nicht ganz so nachhaltig agiert das Musikfest in Bezug auf den eigenen Nachwuchs. Zwar gibt es mit „Open up“ mittlerweile immerhin ein Ermäßigungs-Kontingent samt Einführungsprogramm für Schulklassen. Grau, Silber und Weiß dominieren trotzdem, betrachtet man die Besucher von oben. Daran ändern auch die in manchen Jahren eingestreuten Kinderkonzerte – dies Jahr ein inszeniertes Percussion-Konzert mit dem Quator Beat – nur punktuell etwas. In jedem Fall zu wenig für weitere 25 Jahre.